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Die Chronistin

Die Chronistin

Titel: Die Chronistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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ungewohnt guten Laune von seinem Erfolg berichten wollte.
    Sein beglücktes Auflachen klang befremdlich – desgleichen die Worte. Sophia hatte kein Ohr dafür.
    »Ihr habt Théodores Leben zerstört!«, klagte sie stattdessen und erwartete, dass er den Namen mühelos einordnen konnte.
    Er enttäuschte sie nicht, aber ließ sich von ihr weder die Gutlaunigkeit noch seine Beweglichkeit rauben. Wendig begann er auf und ab zu schreiten.
    »Es musste sein«, bekannte er schließlich freimütig, »Was schert’s mich, was mein Sieg kostet? Louis und Blanche haben sich zu weit hinauf gewagt. Und ob an der Universität Platon oder Aristoteles gelehrt wird, kümmert mich nicht, es sei denn, ich kann’s für meine Sache nützen.«
    »Ihr seid ein Bündnis mit den kleinlichen und ängstlichen Professoren eingegangen, auf dass es gelänge, den Dauphin Louis in die Nähe der Häresie zu rücken und sein Ansehen zu beschmutzen? Ich weiß, dass Ihr gerne vor dem König kniet – nicht aber, dass Ihr derart buckelt!«
    Sein Blick war wach wie einst – doch erst jetzt drang ihr Zorn in ihn, verschleierte den Triumph und zeugte alt bekannten Überdruss. Sachlich klang er nun, um ihr zum Trotze zu zeigen, dass ihre geifernden Worte abprallten.
    »Es musste sein«, wiederholte er. »Ich hatte niemals Angst vor dem Dauphin, denn Louis ist schwach. Jedoch der König. Er neidet dem Sohn die Jugend und die Gesundheit – so wie sein eigener Vater einst ihm. Philippe hat jenem das Staatssiegel abgenommen, als er krank und halb gelähmt in der Abtei von Barbeaux hockte. Er fürchtete, Louis könnte Ähnliches tun, erlaubte er sich nur ein kleines Zeichen der Schwäche. Längst schon war’s ihm unheimlich, dass Blanche wie eine Königin den Hof regiert, dass sie neue Sitten einführt, dass sie ihn am liebsten in einem fernen Jagdschloss weiß.«
    Bevor Sophia zu ihm gekommen war, hatte sie gehofft, dass er mit ihr reden würde, anstatt sie wortlos abzuweisen – nun jedoch, da er es tat und wie seinerzeit auch dem schlichten weiblichen Geist Verstand zusprach, fühlte sie nichts als Verbitterung. Wie wohl es einst gewesen war, ganz ohne Verstellung mit ihm zu sprechen! Und wie schändlich, dass sie wegen seiner dreckigen Lust und ihrem dummen Nachgeben all die Jahre darauf hatte verzichten müssen – um ihn heute obendrein auf feindlicher Seite zu wissen!
    »Und so habt Ihr ein böses Ränkespiel ersonnen, das nicht nur Blanche und Louis zu Fall brachte, sondern obendrein meinen Stiefsohn!«, zischte sie.
    Er presste die Lippen schmal; sein rechtes Bein zuckte.
    »Was schert mich Euer Théodore?«, höhnte er. »Es wurde Zeit, sich dem Papst anzudienen, sich endlich mit ihm zu versöhnen, ihm ein Zeichen zu geben, dass Frankreich sich vollends seinem Willen unterwirft. Oh, unseliger Streit wegen Isambour! Oh, unseliger Kampf um die Gültigkeit dieser Ehe! Doch nun ist der Zwist endlich ausgestanden, weil des Königs Furcht vor dem Sohne größer war als jene vor dem Eheweibe.«
    »Aber wie konntet Ihr...«
    »Seit Jahren bekrittelt der Papst die Lehren der Universität zu Paris. Der Geist der einstigen Kathedralschulen wehe noch dort, vergiftet von Aristoteles, der manchen Lehrer ermutigt, von einer Welt ohne Schöpfung zu reden, von der Sterblichkeit der Seele, schließlich von der Aufhebung jedweder Ordnung. Früher scherte sich König Philippe nicht darum. Nun freilich ward er hellhörig und überlegte, ob er jenen Streit nützen könnte, um den Sohn zurechtzuweisen. Ich bekräftigte ihn, wies ihn an, dem Papst zu bekunden, dass die Bewahrung der Rechtgläubigkeit das oberste Gebot der Universität wäre. Desgleichen war es mein Rat, die Bischöfe darin zu stärken, die Werke jener Denker zu verurteilen und zu verbrennen, die ihre Lehren nicht getreulich Rom verkündeten. Dass eben jene Gelehrten kürzlich noch vom Dauphin empfangen oder gelesen wurden, war Philippes eigentlicher Grund für diesen frommen Kampf. Denn plötzlich ist Louis kein jugendlicher, strahlender, tatkräftiger Thronfolger mehr, der dem alten König Macht und Einfluss rauben könnte. Nein, sein liebster Lehrer Théodore de Guscelin ist wegen Irrlehre von der Universität ausgeschlossen worden. Louis gilt ab nun als Freund von Häretikern, als Widersacher der gottgewollten Ordnung und wird sich über Jahre dem Vater vollends unterwerfen müssen, um sich den verlorenen Ruf zurückzuerobern.«
    Sein Redefluss war unruhig. Sie hielt ihm lange nichts entgegen, senkte

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