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Die Chronistin

Die Chronistin

Titel: Die Chronistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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nicht gegerbt, schälte sich jedoch in kleinen Schuppen und war von roten Punkten übersät – das Werk von Mücken oder brennenden Sonnenstrahlen.
    Théodore blickte von ihr zu Isambour und wieder zurück.
    »Ich hab’s nicht glauben wollen!«, stieß er schließlich aus und begnügte sich weiterhin damit, die Worte zu hauchen, anstatt zu rufen. »Man erzählte mir, dass Ihr der Königin dient... und zugleich, dass jene immer noch kein Wort spräche. Ihr selbst habt mir oft genug erzählt, ihr Geist sei erloschen – und trotzdem seid Ihr bei ihr.«
    »Ich tat es doch nur...«
    Ich hab’s für dich getan, wollte sie sagen, nur für dich, aber dann dachte sie sich, dass es sich nicht lohnte, von Isambour zu reden.
    »Blanche hat dir vergeben – aber was ist mit der Universität?«, rief sie stattdessen die Frage, die sie seit Tagen umtrieb, und ließ hastig die Hand der Königin fallen. »Wirst du wieder aufgenommen?«
    Er lächelte verhalten. Die Augen – über spitz hervorstehenden Backenknochen – schienen schmaler geworden zu sein und dunkler. Kurz blitzte es in ihnen auf – ein wenig Spott, ein wenig Scheu, ein wenig Verachtung.
    »Deswegen bin ich nicht zurückgekommen«, erklärte er ruhig. »Sondern einzig, weil ich nicht mehr in Unfrieden leben will... mit Euch. Ich habe manches Jahr verschwendet, mit mir ins Reine zu kommen. Zuletzt dachte ich, dass dies allein nichts nützt, dass ich nicht länger fliehen darf.«
    Zwischen jedes Wort schob er Schweigen. Schwer war’s für sie, den Zusammenhang zu verstehen – schwer auch, so lange zu warten, bis er endlich fertig gesprochen hatte.
    Ihr lag es bereits auf der Zunge: was sie die letzten Tage, ja, Jahre umgetrieben hatte, was sie ihm längst hatte sagen wollen, was sie sich nachts, wenn sie wach lag, ausgedacht hatte.
    »Ach Théodore!«, sprudelte es aus ihr hervor, und sie sprang auf. »Ich kann verstehen, wenn du hier deine Studien nicht länger fortsetzt, nach allem, was geschehen ist. Nur wirf dein Talent nicht fort! Geh nach Bologna, geh nach Neapel oder geh meinetwegen nach Spanien – nach Toledo, dort wo die großen Gelehrten leben. Geh, wohin du willst, aber sieh zu, dass du doch noch zum Doktor wirst. Zu anderem taugst du nicht. Und siehe: Ich bliebe in Paris. Ich wüsste nichts von möglichen Erfolgen. Du müsstest es nicht für mich tun, sondern einzig für dich!«
    Sie hatte vergessen, dass Isambour in ihrer Nähe hockte. Keinen Blick mehr hatte sie für sie übrig, nun, da Théodore endlich da war. Er hingegen ließ Sophia reden, trat an ihr vorbei, blieb schließlich respektvoll vor der Königin stehen. Ausgiebig musterte er die zusammengesunkene, unbewegliche Gestalt.
    »Wie kommt es«, fragte er schließlich, »dass Ihr ihre Hand gehalten habt?«
    Er stand so starr, wie die Königin hockte. Nun erst, da er ihr den Rücken zugewandt hatte, sah Sophia, dass das krause Haar ihm weit über die Schultern hing.
    »Also«, fragte er erneut, »warum hieltet Ihr ihre Hand?«
    Die Frage war noch widersinniger als sein Schweigen zu ihren aufgeregten Worten.
    »Was hat das mit dir und deinem Leben zu tun?«, fuhr sie ihn an – so streng und unwirsch wie in früheren Tagen.
    Er warf ihr die Unbeherrschtheit nicht vor.
    »Viel«, sagte er nur. »Unendlich viel. Es rettet meine Seele.«
    »Was meinst du?«
    »Später...«, würgte er da schon das Gespräch ab, wandte sich von Isambour fort und wieder zur Türe hin. »Ich will mich Euch später erklären.«
    Sophia wollte nicht im Palast bleiben.
    Unerbittlich war Théodore dabei geblieben, das Gespräch zu beenden, und hatte das Gemach der Königin so unerwartet verlassen, wie er dort erschienen war. Auch Sophia war es nun nicht länger möglich, dort ruhig sitzen zu bleiben und Isambour zu bestarren. War es gerade noch ein Labsal gewesen, auf die Schweigende einzureden und solcherart die eigenen Lasten zu benennen, trieb es sie nun von der Stätte fort, die ihr stets als Kampfplatz für Théodores Zukunft gegolten hatte.
    Nun war er zurück und das Ausharren bei Isambour oder in Blanches Nähe nicht länger nötig. Schwankend zwischen Euphorie, weil er ohne Verachtung auf sie zugetreten war, und Verwirrung, weil seine Worte so wenig verhießen, machte sie sich auf den Heimweg. Gewiss, so hoffte sie, würde er ihr alsbald ins Haus seines Vaters nachkommen.
    Sie hatte Rudolphe bei sich, einen kaum elfjährigen, jedoch groß gewachsenen Knappen, der darauf wartete, endlich in den Krieg ziehen zu

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