Die Chronistin
erhielt, wiewohl sie davon weder ahnte noch ihn nützte?
Erst Tage später erinnerte sie sich an die Liebesdienste, die Griseldis der hungrigen Mechthild abgerungen hatte, und fragte sich, warum ihr Leib dazu weniger taugen solle als der magere, kantige der anderen.
Sie betrat der anderen Zelle bei Nacht – die anfälligste Zeit für Griseldis. Zunächst begnügte sich jene, Sophia ihre Ängste zu schildern.
»Der Teufel neidet Gott unsere Seelen, so ist’s gewiss«, begann sie klagend, »er wartet, bis wir schlafen, denn manchmal, so hat mir meine Amme erzählt, unterläuft der Seele ein Irrtum: Sie denkt, der reglose Leib sei verstorben, und stiehlt sich daraus, um sich auf den Weg ins Jenseits zu machen. Dann aber kommen die Dämonen mit ihren Krallen und Hauern und spitzen Zähnen auf sie zugerast, und weil niemand für sie betet und eine Messe liest, so ist sie schutzlos und kann entführt werden.«
Sophia neigte sich zu ihr, aber wusste nicht, wie sie sich gebärden sollte, um die andere zu einem Pakt zu bewegen.
»Der Teufel hat meinen Leib schon besetzt«, keuchte da Griseldis jäh, »du musst ihn mir vertreiben.«
»Wo ist er?«
»Hier! Spürst du ihn nicht! Greif fester zu, würge ihn, schlage ihn!«
Sie riss Sophias Hand an sich und führte sie zu jenen Stellen, wo die Haut heißer glühte als an Gesicht, Händen und Beinen. Zuerst waren es die Spitzen der Brüste.
»Ja, hier, hier! Hier haben die Dämonen schon gekaut! Zwick und kneife mich! Fester!... Ah! Fester!«
»Ich tue das nur, wenn du mir...«, versuchte Sophia einzuwenden.
»Ich zeige dir nun, wo aus meinem Körper Schwefel tropft«, stöhnte Griseldis, packte diesmal nicht Sophias Hand, sondern den Finger und führte ihn zu ihrer Scham. Dicht, rau und verschwitzt stand dort das ungewaschene Haar. Sophia zuckte zurück, weil ihr war, als hätte sie klebrigen Honig berührt.
»Ja, ja«, keuchte Griseldis, »tauch den Finger nur ein, locke den Teufel hervor. Sag ihm, er soll aus meinem Leib fahren.«
Ein seltsames gurgelndes Geräusch entfuhr ihr zwischen den Beinen, nachdem sie begonnen hatte, mit dem gespreizten Finger der anderen mehr und mehr Luft hinein zu pumpen.
»Ja!«, schrie sie lüstern, »Ja! Mach weiter, hör nicht auf! Ich spüre schon, wie der Teufel nachsehen kommt; schon streckt er den neugierigen Kopf aus meinem Leib, und wenn du ihn siehst, so musst du ihn zerquetschen wie Ungeziefer.«
»Ich tue das nur«, wiederholte Sophia und würgte den bitteren Schleim herunter, der ihr die Kehle ob ihres Ekels hochstieg, »auf dass du mir Bücher beschaffst, wann immer ich es will, und Pergament zum Schreiben. Hörst du? Hörst du?«
Griseldis überdrehte die Augen. Dann schloss sie sie, für kurze Zeiten die Finsternis nicht fürchtend. Ihr Pakt war dennoch besiegelt. Zum genannten Preis forderte sie Sophias Hände fortan jede Nacht.
Sophia magerte ab.
Zwar drängte sie sich, regelmäßig selbst gebrauten Kräutertee zu trinken, der den aufgewühlten Magen, vor allem aber den würgenden Ekel, der ihr bei Griseldis’ Anblick hochstieg, besänftigen sollte. Aber wenn sie das heiße Gesöff in raschen Schlucken leerte, so brannte es ihr hernach bitter im Mund. Sein heißer Raum schien hernach wie ausgedörrt und jegliches Schmecken verlernt zu haben, sodass es undenkbar war, nicht nur zu trinken, sondern auch zu essen.
Unmöglich, dachte sie manches Mal, dass Mechthild ihrerseits nach den Liebesdiensten so gierig Brot zu kauen vermochte...
Sophia selbst tat nichts mit Gier – auch nicht die Bücher lesen, die Griseldis ihr anvertraute, oder das kostbare Pergament beschreiben. Gewiss, es drängte sie, schreibend das Opfer zu bekunden, das sie für das heimliche Frönen ihrer Leidenschaft erbrachte. Und zugleich dachte sie, dass sie sich noch neben dem Gänsekiel übergeben müsste, würde sie in spitzen Buchstaben das Ekelhafte festgehalten sehen.
Auf dass sie kurzwährend vergessen könnte, schrieb sie hastig ab, was Melito von Sardes in seiner Homilie über das Osterfest schrieb oder Dun Scotus über die Dreifaltigkeit Gottes.
Entfliehen mochte sie freilich den eigenen Taten nicht – von einer daran gemahnt, aus deren Mund sie am wenigsten darüber hören wollte.
Beim Abort traf sie eines Tages Schwester Mechthild, wo jene unter Krämpfen bei der monatlichen Blutung litt. Dies war eine Beschwerde, worüber die Nonnen ungern Auskunft gaben – gemahnte sie doch an einen Leib, der zur Fruchtbarkeit geboren war,
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