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Die Chronistin

Die Chronistin

Titel: Die Chronistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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nicht zur ewigen Keuschheit. Gerne freilich ließen sie sich von Sophia einen Kräutertee aus Schafgarbe brauen, der Linderung verschaffte, und gleichen hätte sie auch Mechthild anvertraut, wenn jene nur darum gebeten hätte. Das tat sie nicht. Der Stolz verbat ihr, bei Sophia Hilfe zu suchen.
    Selbst jetzt noch reichte dieser Stolz, sie das Weh vergessen zu lassen.
    »Mich hast du seinerzeit verraten«, grinste sie abfällig an der stinkenden Stätte, die niemals von Nonnen, nur von den minderen Konversinnen gereinigt wurde, »ich aber weiß sehr gut, dass jetzo du es bist, die Schändliches mit Griseldis treibt. Glaub nicht, du wärst die Einzige, die die Augen offen hält. Hab dich belauert, wie du den Schlafsaal der Novizinnen verließest, um in ihre Zelle zu huschen.«
    Sophia duckte sich und suchte zu entweichen, um dem Streit zu entgehen. Die andere gestattete es ihr nicht.
    »Ha!«, rief Mechthild. »Glaub nicht, du könntest auf mich herabsehen, weil du die Klügere bist! Wirst nicht übersehen haben, wie sehr mein Rang sich in den letzten Jahren verbessert hat. Mein Vater hat manchen Vorteil vom Krieg im Heiligen Land. Eine große Zukunft hat er mir hier im Kloster versprochen, wenn ich denn schon nicht den rechten Mann bekam.«
    Sie erhob sich vom Abort und ließ hastig den rauen Stoff der Nonnentracht über die nackten Schenkel fallen. »Ich hab’s schon längst nicht mehr nötig«, höhnte sie fort, »die fette Griseldis zu liebkosen.«
    Sophia verkniff sich herrische Widerrede. »Dann solltest du mich nicht verhöhnen, sondern Mitleid haben, weil ich es muss.«
    »Ha!«, schrillte Mechthild erneut. »Mitleid mit dir? Ich habe dich hier nie gewollt. Und wenn ich was zu sagen hätte...«
    »Das aber hast du nicht!«
    »Noch nicht in jenem Ausmaß, wie’s mir mein Vater versprach. Aber das mag noch kommen...«
    Sie lachte schrill, und ob des schäbigen Klangs entschied sich Sophia, sich nicht mehr um Frieden zu bemühen. »Ach, stopf dir dein dummes Maul mit Brot«, erklärte sie nicht minder höhnend, »anstatt mir meine Bücher und mein Pergament zu neiden. Hast doch mit beidem niemals etwas anfangen können. Und so reich kann dein Vater nicht sein, da er nicht mehr aus dir machte als ein ewig hungriges Gerippe, welches ohne jegliche Anmut klappert.«
    Sprach’s und wandte sich ab, ohne ihre Notdurft verrichtet zu haben, gleichwohl ihr allein die Vorstellung Genugtuung bereitete, warm auf Mechthilds dürre Beine zu pissen.
    »Halt! So schnell läufst du mir nicht fort«, geiferte ihr die andere nach. »In wenigen Monaten wird der Pater Immediatus kommen, um dich und Dorothea zu weihen. Und das schwör ich dir heute hier: Wenn er eintrifft, so will ich ihm erzählen, was du in nächtlicher Stunde bei Griseldis treibst. Ich zahl dir dein Petzen von einst heim, Sophia, Aug um Aug, Zahn um Zahn!«
    Sophia erwartete seine Ankunft vor der Bibliothek.
    Von den hohen Fenstern des Gangs, deren gesprenkeltes Licht im Frühjahr und Sommer das Kerzenlicht ersetzte, ließ sich am besten beobachten, wer an die Klosterpforte trat. Wenn dort nur der Pater einträfe und sie die Erste wäre, die mit ihm spräche, dann würde vielleicht alles, was Mechthild später behauptete, als bösartiges Geschwätz gelten. Darauf einstimmen könnte sie ihn, erzählen, dass die andere ihr seit langem Schlechtes wolle, ja, schreckliche Verleumdung plane – und überhaupt, kein rechtes Leben gäbe es für sie in diesem Kloster; über drei Jahre hätte sie nun in der Krankenstube Dienst getan; wär’s nun nicht Zeit, zurück in jene Ämter zu gelangen, die ihr in Wahrheit gebührten?
    Bei letzterem Gedanken erwachten leise Zweifel. Die Erinnerung daran, dass der Pater sie geschlagen hatte und ihr obendrein befohlen, sie möge bei niederen Diensten Demut erlernen, verpestete die Hoffnung, er möge sich diesmal gnädiger erweisen. Sie sagte sich laut vor, dass seine Weisung vielleicht nur für die Zeit des Erwachsenwerdens gegolten habe, nun aber, da sie sich den Stolz so oft bei Blut und Schweiß und Eiter abgearbeitet hatte, nichtig wäre.
    Sie neigte sich vor. Schon ahnte sie die Mönche des Nachbarklosters nahen. Doch als sie sich umdrehen wollte, hinderte sie Griseldis’ weicher Leib, der sich nun fordernd gegen sie presste.
    »Was tust du hier, Sophia?«, fragte sie mit der raunzenden Stimme einer läufigen Katze.
    Sophia zuckte zusammen. »Lass mich gehen!«, murrte sie, nicht nur vom schweißigen Geruch zur Eile gedrängt,

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