Die Chronistin
verächtlicher Entschlossenheit.
Seinerzeit hatte dieser Anblick bei Sophia Unbehagen erzeugt. Nun vermochte sie nichts anderes, als spöttisch aufzulachen. Frère Guérin blieb starr hocken – Blanche aber fuhr herum und war ob ihres unerwarteten Anblicks so überrascht, dass sie die wohl einstudierte Miene nicht länger beherrschte.
Sophia dachte nicht daran, sich gleichfalls zu unterwerfen. Aufrecht blieb sie stehen, um die andere ungerührt zu mustern.
»Ich dachte, ein Weib dürfe sich nicht über die Gebote seines Standes erheben und mehr Macht und Wissen verlangen als das Spärliche, was Gott vorsieht«, sprach sie mit sachtem Höhnen. »Ihr rügtet mich für falsche Lehren – und doch deucht mich, dass Ihr sie fortan nicht nur glaubt, sondern sie sogar zu leben gedenkt.«
Blanche fand ihre Fassung wieder.
»Für eine Königin gelten andere Gesetze als für eine gewöhnliche Frau – auch das habt Ihr mir seinerzeit beigebracht«, gab sie kühl zurück. »Ihr aber habt hier nichts zu suchen, desgleichen gebietet Euch der Respekt...«
Sophia straffte ihre Schultern und trat aufrecht auf Königin Blanche zu.
»Es liegt mir nicht, zu knien wie Frère Guérin«, unterbrach sie die andere. »Doch seid beruhigt: Ihr müsst mich nicht gewaltsam dazu zwingen. Ich bleibe nicht in Paris.«
Lange schritt sie später die Stube auf und ab. Kaum einen Blick hatte sie für die Lastenträger, die das Möbelwerk aus dem Haus schafften, auf dass es zu gutem Preis verkauft werde, kaum ein Ohr für die Mägde, die unverhohlen ihre Freude bekundeten, dem dunklen, leeren Haus entfliehen und in die Dienste von Adeline de Brienne wechseln zu dürfen.
Ob ich Guérin jemals wiedersehen werde?, war der einzige Gedanke, der ihr über Stunden durch den Kopf ging. Ob dies der Abschied war – versöhnlich und irgendwie enttäuschend?
Sie schrieb es nicht auf, sondern begann das Wenige zu packen, das sie ins Damenstift von Corbeil mitzunehmen gedachte. Und als sie später zur Feder griff, trennte sie wie immer das Unwichtige vom Wichtigen und hielt nur fest, was ihr bedeutsam schien.
Aus der Chronik
Der König hatte nicht nur viele seiner Güter den Hospitalitern, dem Templerorden und den Armen hinterlassen, sondern einen Betrag von 10000 Livres für Isambour bestimmt.
Sie zog keinen Nutzen daraus, sondern lebte schlicht und ohne Prunk im Damenstift zu Corbeil – in der Nähe von Orléans, das Philippe einst als ihre Morgengabe bestimmt hatte. Es war dies nicht nur ein angemessener Ort für eine Witwe, sondern auch für eine Frau, die in manchen Kreisen immer noch als Heilige verehrt wurde. Früher hatte man ihr das gottgefällige Leben nachgesagt, um Philippe zu ärgern – heute galt, dass ein solch großer König keine andere als eine Gottbegnadete zur Gattin gehabt haben musste.
Wiewohl sie sich vom Hof zurückgezogen hatte, verließ sie manches Mal das Kloster, auf dass das Volk sie schauen konnte – nicht, weil sie gelernt hatte, einen eigenen Willen zu bekunden, sondern weil Blanche dazu drängte.
So geschah es Anno Domini 1224, als sie der Prozession folgte, die von Notre-Dame zur Kirche Saint-Jean-Albert führte und die Gottes Hilfe für eine Schlacht um La Rochelle erwirken sollte – was sie auch tat, denn König Louis ging siegreich daraus hervor.
Als schließlich nach zwei weiteren Söhnen – Alphonse und Philippe-Dagobert – die kleine Prinzessin Isabelle als einzige Tochter des Königspaares geboren wurde, wünschte man Isambours Anwesenheit bei deren Taufe. Gleiches ward gefordert, als ein fahr später Prinz Etienne das Licht der Welt erblickte, und ebenso, als der Kleine im zarten Lebensalter verstarb.
Noch schlimmer als dieses Unglück erwies sich jenes, das im November 1226 die königliche Familie heimsuchte. König Louis VIII. – wie zu des Vaters Lebzeiten erbittert gegen die Katharer streitend – starb während eines Kreuzzuges durch Avignon.
Der Thronfolger war erst zwölf Jahre alt und damit unmündig; die Königinwitwe hingegen zwar wieder schwanger, aber immerhin tatkräftig genug, um die Regentschaft an sich zu reißen. Unterstützt von Frère Guérin und dem Kardinal von Sant’Angelo gelang es ihr auch, sie zu halten, wiewohl Philippe Augustes Sohn von Agnèse sie ihr mit allen Mitteln streitig machte.
Oft fiel in dieser Zeit Isambours Name, denn Blanches Lager gefiel es, den machthungrigen Philippe-Huperel als verdorbenen Sohn von Isambours Widersacherin abzustempeln. Unmöglich, dass
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