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Die Chronistin

Die Chronistin

Titel: Die Chronistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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herum.
    »Die Prinzessin ist hübsch und blond«, sprach er kühl, obwohl Isambour nicht weit von ihr saß. »Allein, sie scheint mir schweigsam.«
    »Sie ist der Sprache nicht kundig, die hier gesprochen wird«, erklärte Sophia hastig, »– weder des Französischen noch des Lateinischen. Ich spreche für sie.«
    Der andere nickte langsam und nachdenklich.
    Stärker noch als mit dunkler Kleidung bekundete er mit seiner Haltung, dass er die schmeichelnden Zutaten der vergänglichen Welt brüsk von sich weisen wollte: Starr bewegte sich der groß gewachsene, hagere Körper, als wären die meisten seiner Glieder in Stein gehauen und jegliche weichere Muskelmasse ausschließlich dem Nutzen der Fortbewegung geweiht. Der Blick aus blauen Augen – wiewohl wachsam und unergründlich tief – enthielt sich desgleichen jeder Hast, die verraten könnte, dass er an irgendetwas Anteil nähme. Eines nur störte im Bild des vollkommen Beherrschten: Indessen er mit jeder sonstigen Regung sparte, zitterte dann und wann der rechte Fuß ohne jegliche Kontrolle.
    »Nun gut«, sprach er, »der König hat sie nicht wegen der Worte geheiratet, die sie macht, sondern wegen der Mitgift und des Bündnisses, das er mit ihrem Bruder Knut schließt. Nun freilich zögert er, die Tafel aufzuheben. Bringt Prinzessin Isambour in ihre Gemächer – so bleibt ihm nichts anderes übrig, als ihr zu folgen.«
    Das schroffe Befehlen war ihm nicht fremd – desgleichen nicht die Erwartung, die anderen mögen umgehend Folge leisten.
    »Wer seid Ihr?«, fragte Sophia stattdessen, um die fremde Welt, in die sie gestoßen war, besser zu ergründen.
    Unmerklich verzog sich seine Stirne ob der nutzlosen Vergeudung von Worten.
    »Ich bin des Königs engster Berater«, erklärte er schließlich von oben herab. »Man sieht mich kaum; ich lebe im Geheimen. Und doch gilt mein Wort. So rate ich Euch, auf dass Ihr es der Königin weitergebt: Wenn sie in Frieden leben will und diese Ehe gelingen soll, so haltet Euch an mich.«
    »Das will ich tun«, gab Sophia stolz zurück. »Auch weil ich es bin, die über die Belange der Prinzessin wacht und für sie spricht, wenn es vonnöten ist. Mein Name ist...«
    »Ihr braucht ihn nicht zu nennen«, unterbrach er sie barsch. »Ich habe Euch beobachtet – mir scheint, Ihr seid es, die der Prinzessin am nächsten steht, und ebenso, dass Ihr wisst, wie Ihr Euch zu verhalten habt. Das genügt mir.«
    Der Klang seiner Stimme verriet so wenig über die Regung seines Gemüts wie die Haltung. Nur das Zucken seines rechten Fußes verstärkte sich.
    »Wenn ich mich Euch vorstellen will«, entgegnete Sophia ärgerlich und vergaß ihre Sorgen und ihre Stellung, »dann lasst es mich tun. Man nennt mich Sophia.«
    Erst gab er keine Antwort.
    Dann, als sie fast nicht mehr damit gerechnet hatte, warf er ihr fast spöttisch hin: »Und ich bin Frère Guérin... Nun aber seht zu, dass die Königin sich für die Nacht bereitet.«
    Sie nickte – diesmal verzagt, sich selber scheltend, dass sie sich gedankenlos dem reichen Mahl gewidmet hatte und dann den ärgerlichen Worten mit dem dunklen Priester, anstatt sich auf die nächsten Stunden einzustimmen. Würde Isambour nicht trotz der guten letzten Wochen zu toben und zu schreien beginnen, sobald Philippe nach ihr fasste? Ja, würde sie überhaupt gestatten, dass Sophia sie mit ihm alleine ließ?
    Sie zitterte, als sie aufstand, und brachte beinahe einen Kelch Wein zum Umkippen. Noch ehe er fiel, fuhr Frère Guérins Hand vor und hielt ihn rechtzeitig fest. Nichts regte sich in seinem Gesicht – nicht Spott noch Schelte für die Unachtsamkeit. Ihr freilich ging plötzlich durch den Kopf, dass es inmitten möglicher Schrecknisse gut sein mochte, jemanden wie ihn nahe zu wissen: einen, der Ruhe bewahrte, seine Gefühle verbarg und im rechten Augenblick erkannte, was zu tun war.
    Sophia wachte und lauschte.
    Sie war müde vom schweren Essen und saß zusammengesunken, aber es entging ihr kein Laut aus dem königlichen Gemach, das nur durch eine dünne Wand von ihr getrennt war.
    Neben ihr hockte Gret und schnarchte. Gewiss war es nicht ihr Wille gewesen, in jenen bedeutsamen Stunden einzuschlafen. Aufgeregt hatte sie Sophia die Frage zugeraunt, ob es denn die Feen erlauben würden, dass ein König sich ihr Kind stehle, und ob jemand mit Isambours Geschick denn jemals heiraten dürfte.
    Da hatte Sophia entschieden, dass sie nichts weniger brauchen konnte als eine so wundergläubige wie

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