Die Chronistin
schwatzsüchtige Heidin, die Isambours Lebenswendungen nie danach hinterfragen würde, was sie ihr selbst einbrächten.
Schnell reichte ihr Sophia gesüßten Wein, nannte ihn ein göttliches Getränk und bemerkte ebenso, dass es die Sitten geboten, ihn am heutigen Abend überreich zu trinken – anders könnte dem Brautpaar niemals Glück erwachsen. Wenig später war Gret, die solch starkes Getränk nicht gewohnt war, mit glasigem Blick vornüber gesunken. Nun war zumindest dieses Problem beseitigt.
Indessen Sophia die Hände zu Fäusten ballte, bis spitz und weiß die Fingerknochen hervorstachen, gingen ihr alle anderen durch den Kopf: Gott gebe, dass sich König Philippe von Isambours vermeintlich stillem Wesen zum Narren halten ließ, bis die Ehe vollzogen war! Wenn sie hernach tobte, war es zu spät, um gegen die Ehe einzuschreiten! Isambour würde still und zurückgezogen am Königshof von Paris leben und König Philippe sich sagen, dass er schließlich schon aus seiner ersten Ehe seinen Sohn Louis hatte und keinen weiteren mehr brauchte und dass schließlich alle Vorzüge des dänischen Bündnisses die seltsame Ehe lohnten...
Oh, wäre dieses günstige Geschick nur erst besiegelt!
Lange noch war Sophia vorhin bei Isambour gesessen. Sie hatte sie umgekleidet. Sie hatte beruhigend auf sie eingesprochen.
»Bitte, fang nicht zu schreien an!«, hatte sie gesagt. »Nicht anders mögest du auf das Zupacken des Königs antworten als auf meines – nämlich solcherart, dass du dich fügst. Oh bitte, Isambour, reiß mein Leben nicht ins Verderben!«
Der Blick der Prinzessin war anders als sonst. Beinahe fragend starrte sie in Sophias Gesicht, um hernach die Lippen zu öffnen und den Namen »Ragnhild« zu formen. So zumindest sah es aus, und kurz wähnte Sophia tatsächlich jene Silben zu hören – was freilich nur Sinnentäuschung sein konnte, denn Isambour sprach nicht.
Deren leerer Blick ließ sie auch dann nicht los, als der König kam und das übliche Zeremoniell erfolgte. Philippe, dessen ungehaltenes, hektisches Gesicht vom vielen Wein besänftigt schien, musste sich zu ihr ins Bett legen und mit seinem Fuß den ihren berühren. Sophia konnte nicht erblicken, ob er es unter der schweren Decke tatsächlich tat. Isambour zumindest verblieb steif und reglos, indessen Rigord von Saint-Denis, der nicht nur des Königs Leibarzt war, sondern auch sein Beichtvater, nach vorne trat und das Brautpaar segnete.
Hernach warf Sophia der nunmehrigen Königin von Frankreich einen letzten mahnenden und gleichsam beruhigenden Blick zu, um in der Kammer nebenan zu warten.
Gret schnarchte röchelnd, ansonsten blieb es still.
Vielleicht lässt sie alles totensteif über sich ergehen, hoffte Sophia noch, vielleicht...
Dann hörte sie etwas – oder glaubte zumindest, dass Laute aus dem benachbarten Gemach kämen. Ganz sicher war sie sich nicht, denn das, was sie vernahm, klang anders als alles Befürchtete.
Isambours Schreien war ihr stets die schlimmste Vorstellung gewesen – dieses schreckliche Toben vom ersten Abend, da sie sie kennen gelernt hatte, aus einem schäumenden Mund stammend und aus einem Gesicht, dessen Augen sich ins Weiße überdrehten. Stattdessen ließ sich nun ein Schreckensschrei vernehmen, der nicht von ihr, sondern vom König ausgestoßen wurde.
Jener war ein Mann, den man von Jugend an Beherrschung gelehrt hatte. Gar manche Kampfeswunde hatte er stoisch gefasst über sich ergehen lassen – jener schrille, ängstliche Klagelaut aber klang, als befände er sich in der schlimmsten Schlacht seines Lebens und wäre vom Tod bedroht.
Sophia konnte sich nicht erinnern, aufgesprungen zu sein; schon drängte sie ins königliche Gemach.
Sie riss die Türe auf, sie stürmte hinein – und dann erblickte sie, was ihre schlimmsten Befürchtungen übertraf.
Anno Domini 1245
Damenstift zu Corbeil
Cathérine war tot. Tot wie Sophia.
Fassungslos hockte Roesia an Sœur Eloïses Seite, vom Entsetzen bezwungen und zur Untätigkeit verurteilt.
Sie wusste, dass es anderes zu tun gäbe – vor die anderen Schwestern zu treten und mit ihnen zu besprechen, was geschehen war, sich darum zu kümmern, dass Cathérine in der Kirche aufgebahrt wurde, und den Priester des nachbarlichen Klosters zu bitten, die Messe zu lesen, schließlich auch zu überlegen, wer von ihrem Tode Nutzen zog. Ob der Schnur um ihren Hals stand unzweifelhaft fest, dass Cathérine ermordet worden war – wahrscheinlich wie ihre Mutter Sophia, die
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