Die Chronistin
König gewiss nichts falsch gemacht hat. Isambour... die Königin ist nicht richtig im Kopf. Sie ist schwachsinnig. Sie kann kein einziges vernünftiges Wort sagen, und manchmal stößt sie nur schreckliches Schreien aus. Gewiss, sie ist hübsch anzusehen, wenn sie sich still verhält – aber sie ist anders als alle gewöhnlichen Menschen. Ich denke nicht, dass sie fähig wäre, dem König Kinder zu gebären. Sie ist vorhin fast... verblutet.«
Frère Guérin hob kaum die Brauen, als sie zu sprechen begonnen hatte. Das gab ihr Mut, mehr und mehr zu sagen. Nur das leichte Zittern seines Fußes setzte wieder ein und beunruhigte sie.
»Und warum habt Ihr das nicht berichtet, noch ehe dieser Bund geschlossen und vollzogen wurde?«, fragte er schließlich mürrisch.
»König Knut schickte seine Schwester als Gemahlin nach Frankreich, nicht ich«, hielt sie dagegen. »Was könnte ich gegen einen Beschluss ausrichten, den Könige gefasst haben?«
Guérin betrachtete sie stumm.
»Was wird geschehen?«, fragte Sophia, und erstmals klang die Stimme nicht raunend, sondern nach Panik und Furcht.
Ihr erregtes Gemüt steckte das seine an.
»Dies kann ich nicht brauchen!«, zischte der sonst so Beherrschte und weigerte sich für wenige Augenblicke, die Fassung zu finden. »Ich mag den Krieg nicht, jedoch am allerwenigsten, wird er nicht unter lauteren Bedingungen geführt. Will König Philippe gegen Richard Löwenherz ins Feld ziehen, darf er Knut nicht vor den Kopf stoßen.«
Er sprach mehr zu sich selbst als zu ihr.
»Ach, was gäbe ich, hätte ich solches Bündnis gar nicht erst suchen müssen!«, fuhr er gereizt fort. »Was gäbe ich, wär uns dieser Krieg erspart geblieben und der König nicht vom Neid bezwungen, weil Richard ein großes Reich geerbt hat, er aber nur das armselige Frankreich.«
»Was soll ich tun?«, fragte Sophia heiser, nachdem er geendigt hatte und in Schweigen verfallen war.
Sein Blick blieb von ihr abgewandt. »Bald lässt Kaiser Heinrich Richard frei – und dann ist der Teufel los. Wir brauchen Knut, und folglich brauchen wir Isambour. Bereitet sie für die Krönung vor – ich spreche mit dem König. Er wird tun, was ich ihm rate, so wie er’s immer tat. Ihr aber verliert kein Wort über das, was hier geschehen ist.«
»Ich kam erst hinzu, als Prinzessin Isambour... als die Königin im eigenen Blut lag. Hat der König Euch verraten, was zuvor geschah?«
Frère Guérin zuckte die Schultern – verdrießlich, beinahe abgekämpft.
»Er gestand, dass die Ehe vollzogen sei – mehr aber nicht«, murmelte er ärgerlich, weil er, dessen wachsamer Blick ansonsten alles beobachtete, über diese Stunde nichts zu sagen vermochte. »Nein, ich weiß nicht, was geschehen ist. Im Übrigen – nun, da ich darüber nachdenke – wär’s besser, Ihr bliebet der Krönung fern. Vielleicht wird Philippe sich erinnern, dass Ihr in peinlicher Stunde zugegen wart. Euer Gesicht soll ihn nicht aufbringen, und es wird doch andere Weiber geben, die ihr Geleit geben können.«
»Gewiss«, erklärte Sophia willfährig.
Nur zu gerne wollte sie von Isambour Abstand halten, nun, da trotz allem Schlimmen die Ehe besiegelt schien und der engste Berater des Königs unbeirrt daran festhielt. Irgendwie würde er den König beruhigen, irgendwie die Sache heil machen.
»Am besten, Ihr versucht, alles zu vergessen!«, fügte er als letzte Forderung hinzu.
Sophia nickte eifrig, aber auch erschöpft und aufgerieben. Draußen graute der Morgen, und sie hatte noch keinen Augenblick geschlafen.
Drei Mal wurde laut an die Tür geschlagen, zum Zeichen, dass die Hochzeitsnacht vorüber war. Im Morgengrauen war der König zurück ins Gemach gehuscht, der Blick völlig starr und ausdruckslos. Sophia hatte sich an Guérins Rat gehalten, sich Philippe nicht wieder zu zeigen, jedoch durch den Türspalt beobachtet, wie der engste Berater dem Herrscher entgegentrat und versuchte, beruhigend auf ihn einzusprechen. Philippes starre Mimik änderte sich nicht. Die Bewegungen von Frère Guérin hingegen fielen schneller und lebendiger aus als ansonsten. Zuletzt fiel er vor dem König auf die Knie, um ihn für sein Zureden zu öffnen – eine Haltung, die bei dem groß gewachsenen, schwarz gekleideten Mann befremdlich anmutete. Fast war es Sophia unbehaglich, ihn auf diese Weise zu sehen und zu ahnen, dass er – zum dienernden Lakaien zurechtgestutzt – vielleicht gar nicht der vertrauenswürdige Lenker dieses schrecklichen Morgens war und
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