Die Chronistin
gelebt und nicht lange nach der Jahrhundertwende die Tochter Cathérine geboren hatte, welche nun als Sœur Clarisse ermordet worden war.
Roesia nahm die Worte gleichgültig zur Kenntnis.
»Cathérine hat davon gesprochen, dass Sophia von vielen gehasst wurde, nicht nur von ihr«, sprach sie, und es war dies der erste vernünftige Gedanke, der ihren müden Geist durchwanderte. »Wir müssen uns überlegen, wer zu diesem Kreise zählte – und sie alle danach befragen, was ihnen an Sophia missfiel und ob ihr Hadern sich lediglich gegen sie richtete oder auch gegen ihre Tochter.«
»Denkt Ihr... denkt Ihr an eine bestimmte Person?«, fragte Eloïse lauernd.
Roesia durchstöberte ihr Gemüt, das ihr wie von Unrat zugestellt schien. Es war, als würden ihre Gedanken an manchem Hindernis schmerzhaft anstoßen. Eine Kammer ihres weitläufigen Geistes war jedoch nicht zugestellt, sondern hielt nur einen einzigen Namen bereit.
»Ja«, sagte sie nachdenklich, »ja. Wenn es zu erforschen gilt, wer – außer Cathérine – Sophia am meisten hasste, so weiß ich, mit welcher unserer Schwestern ich zuerst zu reden habe.«
»Wen meint Ihr?«, fragte Eloïse.
Kapitel VI.
Anno Domini 1193
Isambour lag mit gespreizten Beinen auf dem Bett, und wiewohl Sophia niemals an Grets Mär geglaubt hatte, wonach die Prinzessin die Tochter einer Meermaid sei und jene nach der Geburt blutend durchs Meer gezogen worden, dachte sie in dieser Stunde daran. Voji ihrer Scham abwärts bis zu den Knien gerann tiefrotes Blut, als habe der König sie nicht nur entjungfert, sondern ihr ein Schwert in den schmächtigen Leib gebohrt und jenes umgedreht. Die Laken, worauf sie lag, waren davon getränkt.
Der König selbst lag nicht im Bett, sondern kauerte in einer Ecke des Raums, als wäre er von fremder Macht dorthin zurückgeworfen worden. Sophia hatte bis auf Arnulfs Hintern noch niemals einen nackten Mann gesehen. Nun bot sich der König ihr gänzlich bloß dar. Sein Glied hing schlaff von seinem Körper, war jedoch über und über mit Blut bedeckt wie Isambours geschundene Schenkel.
Bei alldem verblieb Isambour stumm, indessen sich Philippe mühsam aufrichtete und ächzende Schreckensschreie ausstieß.
»Verdammt!«, fluchte er. »Verdammt! Gleiches ist mir nie geschehen! Was geht hier vor?«
Jetzt erst, als er mit Fragen und Stöhnen anhielt, füllte anderer Lärm den Raum – so ohrenbetäubend, wie Sophia es stets befürchtet hatte. Gelblicher Schaum trat aus Isambours Mund, indessen sie sich in die blutigen Laken krallte, die Augen verdrehte und röhrende Laute ausstieß.
»Verdammt!«, fluchte König Philippe erneut. »Was ist das für ein Weib?«
Zuerst stand Sophia steif, dann hastete sie zum König, anstatt Isambour zu beruhigen, und warf sich vor ihm nieder.
»Vergebt ihr, Sire, vergebt ihr!«, flehte sie, ohne darüber nachzudenken. »Was immer hier geschah, es ist ihr Fehler! Gewiss habt Ihr nichts Unrechtes getan!«
Der König stierte sie an – mit einem Ausdruck jener Überraschung, die ihn bereits überkommen war, als Isambour vor ihm im Schlamm gelegen war. Verschlossen blieb jedoch sein Mund. Unwirsch trat er zurück und stürmte hinaus.
»Isambour«, rief Sophia ein ums andere Mal, indessen sie zu ihr hintrat, sie zu beruhigen versuchte, sie später wusch. »Isambour, was ist denn nur geschehen?«
Frère Guérins Blick war undurchdringlich.
Als er das Gemach des Königs betrat, fühlte sich Sophia schlichtweg erleichtert. Sie war nicht mehr allein mit Isambour, nicht mehr dem Rätsel ausgeliefert, was denn geschehen war, warum der König als Erster geschrieen hatte und warum er nicht im Bett gelegen hatte, sondern in einer Ecke gekauert war.
Seine nüchternen Fragen stimmten sie gefasst.
»Habt Ihr sie gewaschen?«, war das Erste, was er wissen wollte.
»Ja«, sagte Sophia verschreckt, »ja, – und ich habe sie neu gekleidet.«
Frère Guérin nickte nachdenklich. Vielleicht wusste er nicht, wie viel seiner Überlegungen er ihr anvertrauen sollte.
»Und wo sind die blutigen Bettlaken?«
»Ich habe sie in einer Truhe versteckt.«
»Wer... wer hat gesehen, was hier vorgefallen ist?«
»Nur der König... und ich... und Ihr. Alle anderen schlafen.«
Zunächst wollte sie es bei den wenigen Worten bewenden lassen. Doch während an ihrer Seite Isambour beruhigt einzunicken schien, suchte sie etwas, um den anderen an ihrer Seite zu halten.
»Ich weiß nicht, was geschehen ist«, entfuhr es ihr, »nur dass der
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