Die Chronistin
auch den Plan, der in ihr zu reifen begann. »Will er sein Vorhaben beim Papst durchsetzen und seine Gattin loswerden, muss der König also vertuschen, dass er jemals bei Isambour lag.«
Nachdenklich blickte Frère Guérin sie an, schien sie nicht ganz zu begreifen. Sophia aber fuhr hastig herum, eilte zielstrebig durch den Raum und blieb schließlich vor der Truhe stehen, in der sie in der Nacht das blutige Bettlaken versteckt hatte. Nun holte sie es heraus, achtete kaum auf den Blutfleck, der sich bräunlich verfärbt hatte, und begann es energisch in kleine Stücke zu reißen.
»Was tut Ihr denn?«, rief Frère Guérin verwirrt.
Sie drehte sich kaum nach ihm um. »Es ist zu groß, um es ins Feuer zu werfen... aber die kleinen Fetzen können wir verbrennen. Niemand sonst hat dieses Laken gesehen – nur wir beide. Vor allen anderen habe ich diesen einzigen Beweis, dass die Ehe gültig ist, verborgen. Isambour selbst hingegen fehlt die Sprache, auf dass sie berichten könnte, was geschehen ist.«
Er trat näher, und wiewohl er sich weigerte, selbst das blutbefleckte Laken zu berühren und ihr beim Zerreißen zu helfen, wurde sein Blick anerkennend.
»Ihr schlagt also vor, dass wir den Vollzug der Ehe vertuschen?«, erkannte er ihren Plan.
Kurz hielt Sophia inne. Der Stoff war hart und schnitt ihr beim Reißen schmerzhaft in die Finger.
»Gibt es denn eine andere Möglichkeit?«, fragte sie zurück, um eifrig fortzufahren: »Wir können sogar noch mehr erreichen. Der König behauptet doch, Isambour sei verhext und von einem bösen Dämon besessen... Und ich, ich könnte das bezeugen, ja, als ihre engste Begleiterin könnte ich vor aller Welt bekunden, dass sie einen Pakt mit dem Teufel geschmiedet hat, um den armen, guten Philippe ins Verderben zu reißen, dass sie zum Widersacher gebetet hat und nicht zu Gott, dass sie mit unheimlicher Magie die schwarzen Mächte beschworen hat. Mit zitternder Stimme werde ich davon berichten – dass ich mich an ihrer Seite keinen Augenblick lang sicher wähnte, sondern stets von Furcht getrieben, sie möge auch meine arme Seele ins Verderben reißen. Gottlob habe der König das rechtzeitig erkannt. Durch die Ritzen der Türe habe ich – besorgt um seine Seele – beobachtet, wie er von ihr zurückwich, anstatt sie zu seinem Weib zu machen.«
Sophia sprach mit rauer, fast flüsternder Stimme. Nun, da der in Windeseile ausgeheckte Plan Gestalt annahm, gab es kein Zurück, keinen anderen Weg mehr, ihr Geschick zu wenden und es von Isambours vermaledeitem zu lösen.
»So sei es denn«, schloss sie. »Isambour ist verflucht und verwunschen, und wer könnte das besser wissen als ich, die ich Wochen an ihrer Seite lebte?«
Frère Guérin nickte bedächtig. Der Missmut schwand aus seinem Gesicht, der nörgelnde Ton aus der Stimme.
»Ihr würdet also ein falsches Zeugnis ablegen?«, fragte er. »Ihr würdet diese Lüge laut bekennen?«
Inmitten der nüchternen Berechnung hörte sie auch etwas wie Anerkennung aus ihm sprechen. Dies stärkte ihre Entschlossenheit.
»Ich bin keine Dänin«, erklärte sie heftig, »und darum weder Isambour verpflichtet noch König Knut. Ich will nicht an ihrer Seite in ein einsames Kloster abgeschoben werden oder in eine finstere Burg. Man hat mir ein Leben in Paris versprochen!«
»Ihr könnt nicht vor dem Ehegericht aussagen«, gab Guérin zu bedenken. »Euer Wort gilt nur, wenn Ihr einen Gatten habt und jener für Euch spricht.«
Als sie ihren Plan dargelegt hatte, hatte sie an ihm vorbeigeschaut. Jetzt trafen sich erstmals ihre Blicke. Er schien überrascht, dass ein Weib zu einer Verbündeten geworden war – und sie darüber, dass sie so schnell, so leicht über ihr künftiges Los bestimmen konnte.
»Ich habe keinen Gatten«, sagte sie ruhig, »...noch nicht. Vielleicht solltet Ihr mir einen suchen; vielleicht solltet Ihr mir eine reiche Mitgift beschaffen. Schenkt mir ein Leben, das meiner würdig ist, was gleichsam heißt, dass mir erlaubt ist, zu lesen und zu schreiben. Dann bekunde ich ohne Zögern der ganzen Welt, dass die Ehe niemals vollzogen wurde und dass Isambour nicht nur schwachsinnig ist, sondern gefährlich, verdorben und böse.«
Isambour schrie, als man sie von Sophia wegbrachte.
Bei dem Laut, der über ihre Lippen tönte, dachte Sophia unwillkürlich an jene giftige Pflanze, welche Alraune heißt und deren Schrei – wird sie nicht fachkundig gepflückt – einen Menschen töten kann. Nicht weniger gefährlich deuchte
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