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Die Chronistin

Die Chronistin

Titel: Die Chronistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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um sich zwischenzeitlich vorzubeugen und sich widerwillig die Knie zu reiben. Entweder schmerzten sie vom langen Beten in der Kirche oder von seinen Demutsbekundungen dem König gegenüber.
    »Aber er kann sie nicht verstoßen!«, warf Sophia ein. »Die Ehe ist geschlossen und ebenso vollzogen, und schließlich die Krönung...«
    Ein freudloses Lachen entkroch Frère Guérins Mund, und der Ärger, der in den Augen aufblitzte, verriet nicht nur große Lebendigkeit, sondern ebenso eine lang genährte Verachtung für alle, die sich seinem Trachten entgegenstellten – und sei’s der König selbst.
    »Mit seinem Zusammenbruch wollt’ er vor aller Welt bezeugen, dass Gott mit diesem Bund nicht einverstanden ist. Nun, das hat er gut gemacht! Ich möchte freilich wissen, ob er die Folgen seines Tuns genauso gut berechnet hat.«
    Er versuchte seine Schritte zu verlangsamen, was ihm nur schwer gelang. Erneut trat etwas in seinen Blick, was älter war als die Erregung dieses Tages – ein lang schwelender Groll, dass der König ihm zwar gemeinhin vertraute und in ihm den Weiseren erblickte, aber in jedem einzelnen Augenblick die Macht hatte, seine Vorschläge anzunehmen oder ihn zu vernichten.
    »Ich habe versucht mit ihm zu reden, zu erklären, was auf dem Spiele steht«, erklärte Guérin eben schnaubend, »aber er will’s nicht hören, und so musste ich’s lassen. Ich darf sein Misstrauen nicht erregen – und das ist allzu leicht. Alle jene, die ihn einst vor mir beraten haben, hat er verflucht und verbannt, sobald er nur geringsten Zweifel hatte, sie folgten eigenen Interessen und nicht nur den seinen – sei’s seine Mutter Adèle oder Philipp von Flandern. Im Augenblick ist er zu tief verstört, als dass ich gegen seine Entscheidung wettern dürfte. Oh, verflucht, verflucht!«
    »Aber Ihr müsst doch...«
    »Ich kann es nicht, versteht Ihr nicht?«, rief er mit verzerrtem Gesicht. »Der König ist ein Mensch, der einen Dienstboten eigenhändig aus dem Fenster wirft, wenn jener versehentlich einen Tropfen Wachs auf seine Hand fallen lässt. Was denkt Ihr, geschieht mir, wenn ich mich ihm in dieser Sache offen widersetze?«
    Er hasst den König, durchfuhr es Sophia, obgleich es widersinnig war, von Philippes engstem Vertrauten solches anzunehmen.
    Er hasst den König, weil jener unwissender und unerfahrener und zugleich doch mächtiger ist als er.
    Freilich nützte ihr diese Erkenntnis nichts und ebenso wenig die Frage, was wirklich im Brautgemach geschehen war, was Isambour getan hatte, den König derart gegen sich zu erregen.
    Es zählte einzig, dass sie der Zukunft beraubt war, die sie sich und Isambour hatte erlügen wollen.
    »Was wird mit Isambour geschehen, nun, da die Dänen ohne sie aufgebrochen sind?«
    Frère Guérin zuckte die Schultern. »Man wird sie in ein Kloster sperren.«
    »Und dann?«
    »Die Bischöfe werden vom König gezwungen werden, die Ehe zu annullieren, und Philippe wird hernach versuchen, sie nach Dänemark zu schicken, was gleichsam heißt, dass das Bündnis mit Knut vergebens war. Dies allein macht mir noch keine Sorgen, jedoch die Aussicht, dass der Papst dem niemals zustimmt und sich gegen Frankreich stellt. Wie soll der Krieg mit England dann aber zu gewinnen sein? Mein Gott, wenn er nur recht nachgedacht hätte!«
    Sophia hörte nicht auf sein Hadern. Ihr eigenes war laut genug.
    Alles umsonst, ging ihr hoffnungslos durch den Kopf, alles umsonst. All ihr Trachten, Isambours Wahnsinn zu verbergen, all ihr Lügen und Vertuschen, bis sie im Ehebett des Königs lag und kein Weg zurückführte, weil die Ehe vollzogen war... Nun war sie vollzogen, und der König wollte trotzdem nicht daran festhalten. Er war bereit...
    Sophias Gedanken stockten, verfingen sich in einem bestimmten, ließen ihn nicht mehr los. Sie hob den Blick, der nicht mehr trübsinnig war, sondern aufgeregt – und entschlossen.
    »Aber wenn die Ehe vollzogen wurde, ist es nicht möglich, sie als nichtig zu erklären«, sprach sie leise, aber fest.
    Erstmals nach vielen aufgeregten Schritten blieb Frère Guérin kurz stehen und sah sie fragend an. Vielleicht hatte er gehört, wie sich ihr Tonfall verändert hatte, wie aus dem ängstlichen ein kühl berechnender wurde.
    »Ja, so ist es«, sprach er, und es klang nörgelnd. »Aber das scheint dem König gleich zu sein. Er will...«
    »Wenn die Ehe vollzogen wurde, ist es nicht möglich, sie als nichtig zu erklären«, wiederholte Sopia, sich selbst bekräftigend – und

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