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Die Chronistin

Die Chronistin

Titel: Die Chronistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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geht?«
    Sie schüttelte schwach den Kopf. Nie hatte sie gänzlich den Bezug zur Welt verloren – immer mit wenigen Worten vernommen, wie es da draußen stand, vor allem im Krieg mit England. Die letzte Woche aber war sie ganz mit der Heilung des verwundeten Magisters Jean-Albert beschäftigt gewesen.
    »König Richard von England ist tot«, erklärte Frère Guérin kühl und schien einzig mit ihr zu sprechen, weil die monotone Rede ihm die Gefasstheit wiedergab. »Von einem Pfeil getroffen, in ein Fieber gefallen, in den Armen seiner Mutter Eleonore dem Ewigen Leben entgegen gegangen... oder aber der Ewigen Strafe. Wie’s Euch beliebt.«
    Unscharf erinnerte sich Sophia, dass Nicolas de Vitry von einem königlichen Boten gesprochen hatte, der den unglückseligen Jean-Albert niedergeritten hatte – eine so dringliche Nachricht mit sich führend, dass ein unachtsamer Fußgänger nicht stören durfte.
    »Dies aber wäre doch ein Grund zur Freude«, hörte sie sich sagen. »Der alte Feind ist endlich bezwungen.«
    »Aber ein neuer schon gefunden!«, zischte Frère Guérin grimmig. »Richards Bruder Jean weigert sich, die Besitzungen am Festland seinem kleinen Neffen Arthur zu überlassen, wie’s ausgemacht war – und dessen Mutter genießt ihre Ehe mit Guide Thouars, anstatt sich für Philippe stark zu machen. Ein jeder kann hören, wie sie ihn jeden Morgen rühmt, weil er ihr Lust verschaffte, indem er die ganze Nacht ihre...«
    Er brach ab, zwar nicht beklommen gestimmt durch seine unzüchtige Rede, jedoch unwillig, mit einer wie ihr darüber zu sprechen.
    »Aber was«, fragte Sophia, ohne alles in Gänze zu verstehen, »hat das damit zu tun, dass Ihr Gret zu sprechen wünscht?«
    »Oh, unselige Zeiten!«, stieß er aus. »Nicht nur, dass der Krieg zwischen Frankreich und England kein Ende nimmt. Obendrein haben wir einen neuen Papst – und dieser Innozenz III. will sich anders als sein Vorgänger nicht damit abfinden, dass die französischen Bischöfe selbstherrlich die Aufhebung der Ehe von Philippe und Isambour beschlossen haben.«
    »Aber das ist doch lange Jahre her!«, rief Sophia ungläubig aus. »Und zwischenzeitlich hat der König doch erneut geheiratet!«
    »Agnèse...«, erklärte Frère Guérin bitter und zugleich doch gereizt. »Die unglückliche Agnèse, die seit der Geburt des kleinen Philippe-Huperel schwermütig ist. Sie ist nach Fontainebleau geflüchtet, aus Angst hier in Paris dem päpstlichen Gesandten zu begegnen. Und König Philippe ist bei ihr, um ihr einzureden, dass keine Macht der Welt – und sei es die der Kirche – ihn von ihr trennen könnte. Wie zwei Kinder erscheinen sie mir, die glauben, es gehe alles in Erfüllung, wenn sie es denn nur inniglichst wünschten.«
    Keine Nachsicht lag in seiner Stimme, nur Überdruss.
    »Aber warum... warum macht sich der Papst für Isambour stark?«, fragte Sophia unbehaglich.
    »Gewiss nicht, weil er ein guter Christenmensch ist«, murmelte Frère Guérin und blickte erstmals hoch. »Oh, es ist noch viel schlimmer, als ich mir jemals ausgemalt habe... es ist etwas geschehen, was ich nicht berechnen konnte... uns allen steht Unheil bevor...«
    Er brach ab, anstatt sich ihr zu erklären. Immerhin schwand der Zorn aus seiner Stimme. Nachdenklich, fast wachsam glitt sein Blick über sie, als käme ihm eine Idee, wie sich aus ihrem unerwünschten, aufdringlichen Erscheinen doch noch Gewinn schlagen ließe.
    »Aber...«, begann sie.
    »Schon steht die Drohung einer Strafe im Raum«, meinte Frère Guérin düster, »der schlimmsten und verheerendsten Strafe, die man sich nur ausdenken kann. Gott gebe, dass uns dieses erspart bliebe!«
    Er stöhnte unwillig. Sophia ging kurz das Gleiche durch den Kopf wie seinerzeit in Amiens. Er hasst den König, dachte sie. Dass jener sich anmaßt, einen eigenen Willen zu haben und diesen durchzusetzen, ist ihm ein fortdauerndes Ärgernis – denn ohne solchen hätte er selbst, Frère Guérin, das Geschick Frankreichs viel vorteilhafter durch die letzten Jahre gelenkt.
    Er riss sich aus den düsteren Gedanken.
    »Da Ihr nun aber hier seid«, fügte er viel nüchterner hinzu, »könnt Ihr vielleicht dazu beitragen, dass das Äußerste verhindert werde...«
    Aus der Chronik
    Vor seiner Papstwahl hatte Innozenz III. Lothar von Segni geheißen und war als ehrgeizig bekannt gewesen. Nun setzte er alles daran, die Macht des päpstlichen Stuhls zu stärken – und nützte einen Riss, der quer durch Europa ging.
    Nicht nur

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