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Die Chronistin

Die Chronistin

Titel: Die Chronistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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schluchzte trocken auf. »Ich bin verloren. Ich habe ihm stets gehorcht, so wie er es wollte – und nun gibt er mich preis. Er opfert mich. Er verrät mich.«
    »Sagt das nicht, es ist gewiss, dass der Papst Eure Kinder...«
    »Ich trage wieder eins. Der König hat mich während des Interdikts geschwängert.«
    »Ach!«, entfuhr es Sophia. Sie trat zurück, um vor den Ausdünstungen der anderen zu flüchten.
    »Hätte Isambour in ihrer Hochzeitsnacht nur gleichen Gehorsam gezeigt wie ich, dann wäre uns beiden dieses Elend erspart geblieben!«, klagte Agnèse indessen fort.
    Ein letztes Mal beugte sich Sophia forschend über sie.
    »Hat Euch der König berichtet, was damals geschehen ist?«
    Ächzend richtete sich Agnèse auf. Anstatt Antwort zu geben, drehte sie sich auf den aufgeblähten Leib und senkte ihr Gesicht in ihre Kissen.
    Die Stimme klang erstickt, als sie die letzten Worte murmelte.
    »Ich kann es nicht erzählen, ich darf es nicht. Der König hat’s mir verboten! Er sagte stets, dass niemand ihm jemals so zuwider handelte wie Isambour... dieses verdammte, verdammte Weib!«
    Frère Guérin erwartete sie schweigend. Seine Hände lagen verkreuzt auf seiner Brust, und er verbarg seinen Blick vor ihr wie eben schon.
    Erst bei seinem Anblick stieg in Sophia das Weh hoch, das sie bislang bezwungen hatte. Es stank nach dem Tod eines ungetauften Kindes, für das des Königs Entscheidung zu spät gekommen war, und nach einem verstoßenen Eheweib, das das eigene Unglück nicht fassen konnte.
    »Ich habe es ihr gesagt – was wollt Ihr noch von mir?«, fragte sie, ohne Macht über ihre Stimme zu haben. Sie zitterte.
    Die Müdigkeit schien sich wie ein kalter, feuchter Mantel um sie zu legen.
    Frère Guérin fragte zurück, anstatt zu antworten. »Wie hat sie es aufgefasst?«, wollte er wissen.
    Der Überdruss in seiner Stimme klang über die Welt erhaben wie stets, doch hinein stahl sich ein Anflug von Scheu.
    »Lieber Himmel!«, gab sie unfreundlich zurück. »Als ob Euch das Sorgen machte! Ihr versucht, das Geschick Frankreichs zu lenken – noch besser, als es der König von sich aus könnte, und nehmt hin, dass das zu seinem, nicht zu Eurem Ruhm geschieht. Gewiss hat er sich an Euren Rat gehalten, als er Agnèse aufgab – was schert Euch da, wie sehr sie daran leidet?«
    »Ihr klagt mich an, als wäre ich an allem schuldig!«
    Sein Blick war lauernd. Noch leichter fiel’s ihr darob, ihm mitten ins Angesicht zu klagen.
    »O, Frère Guérin – und wenn’s so wäre! Sind wir es nicht beide? Haben wir den Fluch nicht über die Menschen gebracht? Ich habe gelogen. Ich habe mehr als nur ein einziges Mal gelogen. Zuerst, weil ich verbergen wollte, wie’s um Isambours Geisteszustand steht. Dann, indem ich alle Beweise für den Vollzug der Ehe verbarg. Zuletzt, als ich bekundete, sie sei verhext und von Dämonen besessen. Dies alles tat ich, um mein eigenes Leben zu erretten – und Ihr habt mich dazu ermutigt!«
    Dass sie sich das Unbehagen endlich von der Seele sprach, stimmte sie frischer – ihn müder.
    »Ja, was hätte ich tun sollen?«, setzte er sich lahm zur Wehr.
    »Habe ich das Verhalten des Königs freiwillig gewählt? Wie oft muss ich mich ihm beugen. Und Ihr – hättet Ihr an ihrer Seite in einem Kloster verderben wollen?«
    »Nein«, erwiderte sie. »Nein, gewiss nicht.«
    Es fiel ihr nichts anderes ein. Jedoch – und das stimmte sie gleichermaßen entsetzt wie überrascht – stieg ihr aus der rauen Kehle ein Schluchzen hoch, und als es über die Lippen trat, so quollen im gleichen Augenblicke auch Tränen aus den Augen. Sie blinzelte verwundert und suchte sie zu schlucken. Doch hatten Anstrengung und Müdigkeit und Unbehagen die salzigen Tropfen erst von ihr abgetrotzt, traten weitere in ihre Augen und perlten die Wangen hinab.
    Frère Guérin beobachtete sie – zuerst mit Erstaunen, dann mit Widerwillen.
    »Hört damit auf! Ich halte viel von Euch, weil Ihr ein kühles Weib seid!«
    »Ihr habt mir nichts zu befehlen. Ich weine, wann ich will«, schluchzte sie störrisch.
    »Hört auf!«
    »Ich denke nicht daran.«
    Wiewohl ihr das Weinen fremd war, weigerte sie sich, ihr Gesicht zu trocknen. Unerwartet schnell – inmitten üblicher Bedachtsamkeit – sprang er hoch. Sein Bein zitterte nicht, weil er fest darauf stand.
    »Weint nicht!«, wiederholte er seinen Befehl – und als sie sich ihm immer noch nicht fügte, so schnellte ungelenk seine Hand empor, ihr ins Gesicht zu fassen.
    Sie zuckte

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