Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Chronistin

Die Chronistin

Titel: Die Chronistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
Vom Netzwerk:
nehmen.
    »Isambour wird den König nach Paris begleiten«, hatte er erklärt, »doch jener wird sich hüten, sich ihrer anzunehmen. Von dem dänischen Weib in ihrer Gesellschaft ist freilich nicht zu erwarten, dass sie die Sitten des Hofes kennt und sie der Königin begreiflich machen kann. Versucht denn Ihr, ihr den Einstieg in ein Leben zu erleichtern, dessen sie all die letzten Jahre nicht für würdig befunden wurde.«
    Sophia nickte, aber war sich nicht sicher, ob man auf sie zählen würde können. War das Vertrauen, das ihr Isambour entgegengebracht hatte, nicht längst verwirkt? Würde jene bei ihrem Anblick nicht aufkreischen und in einen ihrer schrecklichen Ausbrüche verfallen?
    Sophia spürte, wie sie sich dagegen rüstete – zerrissen von Furcht, die Verratene zu erschauen, und von Erleichterung, etwas gutmachen zu können.
    Ihre Schritte verhallten tönern. Draußen stand grünes, flaches Land, das sie im beengten Paris niemals erblickt hatte und dem sie auch jetzt nur flüchtige Aufmerksamkeit zollte. Hinter der verschlossenen Türe nämlich schien sich just in diesem Augenblicke etwas zu tun.
    Zum Klang der eigenen Schritte mischten sich fremde. Schwer schienen sie aufzutreten – unmöglich konnte man das leichte Getrippel von Isambour darin vermuten.
    Wie sie wohl aussieht?, dachte Sophia. Ob ihr die letzten Jahre sichtbar zugesetzt haben? Und ob Guérin als Dank für meinen Einsatz wohl Bertrand bewegen kann, mir mehr Macht und Freiraum im Hause zuzuweisen?
    Sie hielt inne, als die Tür sich öffnete, sie schöpfte Atem, um das zu Erwartende zu ertragen – und sie blies ihn heftig aus, als sie niemand weiteren als nur Frère Guérin erblickte.
    Er trug den würdevollen, schlichten schwarzen Mantel wie stets – den Kopf jedoch nicht aufrecht, sondern auf die Brust gefallen.
    »Wo ist die Königin?«, fragte Sophia verwirrt.
    Krachend fiel die Tür zurück.
    »Sie kommt nicht«, stieß Guérin aus. »Sie kommt nicht.«
    Sophia brauchte lange, um zu erfassen, was geschehen war. Zunächst starrte sie unverständig auf den Schwarzgekleideten – dann, als er schließlich den Blick hob, voller Unbehagen.
    Manches Mal schon hatte sie seinen Hass auf König Philippe in seinen Augen blitzen gesehen – ein vergängliches Zeichen von Aufruhr und Verwundung. Jetzt aber geriet dieser nicht länger flüchtig, sondern hatte sich im unverstellten Gesicht festgebissen.
    »Eben sprach ich mit dem König«, setzte er grollend an, »und jenem hat’s beliebt, mir seine Pläne zu verraten!«
    »Ich verstehe nicht«, entfuhr es Sophia. »Es stand doch fest, dass Philippe die verstoßene Gattin wieder zu sich nimmt und...«
    »Ja freilich stand dies fest!«, bellte Guérin.
    Wie eben noch sie selbst, schritt er nun auf und ab und schließlich zur Türe hin, die er erbost zugeschlagen hatte. So ungehalten wie er mit ihr sprach, knurrte er hinaus, dass sich der Saal hier nicht im rechten Zustand befände. Kalt sei’s, was hülfe es, dass draußen die Sommersonne scheine. Man solle Feuer machen und ihm beizeiten ein Mahl servieren. Und ja, noch mehr als nach Speisen lechze er nach Wein, nach tiefrotem, süßem, starkem Wein.
    Sophia erinnerte sich, wie er beim einst’gen Hochzeitsmahle den umgestoßenen Kelch aufgefangen hatte. Dass er einen solchen jedoch zu den weichen Lippen führen würde, deuchte sie ganz ungewohnt. Nie hatte sie ihn essen oder trinken sehen und wähnte ihn von nichts anderem gesättigt als dem kargen Mahl der Mönche – Bier und Brot.
    »Was ist geschehen?«, fragte sie, als die Tür wieder verschlossen ward.
    Ruckartig wie die Bewegungen flossen seine Worte. »Er hat sie als seine Gattin anerkannt, das gewiss... hat ihre Hand genommen, wie’s ihm aufgetragen war...«
    Schrecklicher als der unverhohlene Hass war das Höhnen in der Stimme. »Ja!«, rief er bitter aus. »Alles verlief, wie’s verlaufen sollte. Kurz war die Zeremonie, aber sie hat Isambour in ihre alten Würden verholfen. Doch kaum war’s ausgestanden – sie hockte noch wie ein Mädchen auf dem Stuhl –, da bat der König den Bischof von Reims und mich zum vertraulichen Gespräch.«
    »Und Isambour?«, unterbrach ihn Sophia. »Gab sie denn Ruhe oder...«
    »Sie hat im Kloster gewiss nicht an Geist gewonnen, aber desgleichen an Schwachsinn nicht zugelegt!«, empörte sich Guérin. »Ich wollte sogar vorschlagen, sie dem Volke zu zeigen. Tut sie den Mund nicht auf, ist sie ganz reizend anzusehen... Der König aber dachte nicht

Weitere Kostenlose Bücher