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Die Chronistin

Die Chronistin

Titel: Die Chronistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Gabe erschrocken war, so besinnungslos zu sehen. »Und jetzt lasst mich los!«
    Er tat es nicht.
    »Ihr seid das erste Weib, das ich berühre. Niemals ist ein Kebsweib bei mir gelegen – wie bei so vielen anderen meiner Zunft. Ich dachte stets, Gott habe mich nur für einen einzigen Dienst bestellt – dem König zu gehorchen.«
    »War’s nicht vielmehr stets ein Dienst an Euch selbst?«, entfuhr es ihr, indes sein Kopf schwer und heiß wurde. Sie konnte sich kaum rühren – und wollte dies auch plötzlich gar nicht mehr. Noch beschämender, als ihn zu halten, deuchte es sie, ihn abzuweisen und das Urteil auszusprechen, dass er sich wie ein Narr benahm.
    »Was scheren mich die Gebote meines Lebens noch?«, rief er gequält. »Ich will so nicht mehr weitermachen.«
    Er hob den Kopf, aber nicht, um sich von ihr zu lösen. Stattdessen drückte er ihren Leib zurück, bis sie auf der harten Tischplatte zu liegen kam. Ihr grüner Umhang rutschte von ihren Schultern, indessen seine wohlgeformten, feinen Hände tapsig an ihrem Kleid zu nesteln begannen.
    Sie verstummte entsetzt, dass er sich so viel erlaubte, und gerührt, dass sie vermochte, einen Mann wie ihn so sehr zu bewegen. Ich darf’s ihm nicht gestatten, dachte sie, und zugleich: Wem aber sonst stünde es zu? Von allen Menschen, die ihr nahe gekommen – war er nicht der, den zu umarmen sich am meisten lohnte?
    Es war um so viel heißer als im kühlen Ehebett mit Bertrand, die Luft vom Schweiß geschwängert, den sie weder an ihm noch an sich jemals gerochen hatte. Sie dachte an Agnèse und wie jene vom unbeherrschten König gesprochen hatte, von der viehischen Lust und dem Vergessen jeglichen Anstands.
    »Was tust du mit deinem Gatten, Weib?«, raunte der Priester, der sie ein Fremder deuchte. »Zeig’s mir!«
    Sie brachte kein Wort hervor, um zu bekunden, dass sie jungfräulich war. Klebrig wie seine suchenden Hände waren die Erinnerungen an Griseldis’ dicken und Arnulfs alten Leib. Unter ihren Händen hatten jene verdorbene Lust gesucht – und warum, dachte sie, hätt’ ich geringeres Recht darauf als sie?
    Ihre Zehenspitzen verloren den Boden. Sie raffte das rote Kleid hoch, dann den hellen Unterrock und zog ihn sich so weit über den Leib, dass sie beinahe das eigene Gesicht damit verhüllte. Nun, da er ihre nackte Haut berührte, zögerte er erstmals kurz. Seine Berührungen erlahmten, als begriffe er plötzlich, dass sie Verbotenes taten. Fast schon wich er zurück.
    Doch einen verspäteten Rückzug wollte sie ihm nicht gestatten. Sie selbst hatte eben noch gezaudert – er aber sollte es nicht tun, sollte sich vielmehr so gebärden, wie sie’s von ihm gewohnt war: willensstark, entschlossen, sich seiner selbst gewiss!
    Während sie anfangs seine Berührungen nur über sich ergehen hatte lassen, griff sie nun selbst beherzt zu, bekam ihn an den Hüften zu packen, zog ihn an sich. Sein Widerstand ermattete sogleich. Er folgte ihren fordernden Griffen und öffnete gehetzt seine Kleidung.
    Als sein Geschlecht ihre Scham auseinander zwängte, dachte sie an die blutüberströmte Isambour und des Königs Entsetzen. Nichts von jenem Verderben spürte sie, nur einen kurzen Schmerz, der kitzelte wie der Wein, der durch Füße und Hände rann und brannte. Als ihr Kopf nach hinten hing, schmeckte sie säuerlich den letzten Schluck im Mund. Sie presste ihre Fersen gegen sein Gesäß, auf dass er noch näher an sie herankäme, und indessen sie in einer absonderlichen Trunkenheit und Blindheit versank, ging ihr durch den Kopf: Er ist mir ähnlich. Er ist der Mann, der zu mir gehört.
    Bis in die frühen Morgenstunden entließ er sie nicht aus seiner Umarmung.
    Stürmisch und ungelenk war sie zuerst ausgefallen. Später zog er sie vom harten Tisch und ließ sie auf seinem Körper ruhen, der sich – wiewohl dünn und knochig – wie eine weiche Liege anfühlte. Zahmer als vorhin fiel sein Versuch aus, sie zu küssen. Seine Lippen waren aufgeraut, aber schmeckten nach süßem Wein und fanden den Weg zu ihrem Mund viel bestimmter und selbstbewusster als vorhin seine Hände. Sie legten die Scheu und Vorsicht, die vorhin noch fühlbar seinen Berührungen beigewohnt hatte, ab.
    Ob ihre Haut schmeckte wie die seine? Und was war es, was ihn nach ihrem Körper verlangen ließ?
    Über jenen hatte sie kaum nachgedacht. Gelesen hatte sie einst bei einem großen Theologen, dass die Schönheit des Frauenkörpers allein in der Haut bestünde, der Mann sich aber ekeln würde,

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