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Die Chronolithen

Die Chronolithen

Titel: Die Chronolithen Kostenlos Bücher Online Lesen
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vermutlich hatte sie Recht. Dann wollte ich wissen, wie ihre Mutter und Whit damit umgingen.
    »Mom ist eine Stütze. Und Whit…« Sie wedelte mit der Hand. »Du kennst ihn ja. Er ist gegen den Krieg und tut manchmal so, als wäre David persönlich dafür verantwortlich – als hätte David ablehnen können. Bei Whit geht es immer ums Ganze, Menschen sind nicht darin verwickelt außer als Hindernis oder abschreckendes Beispiel.«
    »Ich bin mir auch nicht sicher, ob der Krieg viel Sinn ergibt, Kait. Hätte David sich drücken wollen, uns wär schon was eingefallen.«
    Sie lächelte traurig. »Ich weiß, und David wusste es auch. Das Verrückte ist, Whit wollte nichts davon hören. Er lehnt den Krieg ab, aber das Gesetz zu brechen und die Familie in Schwierigkeiten zu bringen? Um Himmels willen! Tatsache ist, David hatte Angst, Whit könnte ihn anzeigen, wenn er untertaucht.«
    »Und? Hätte Whit das getan?«
    Sie zögerte. »Ich will ihn nicht schlecht machen…«
    »Ich weiß.«
    »Ja, vielleicht. Ich glaube, er wäre fähig dazu.«
    Es war nicht weiter verwunderlich, dass sie Albträume hatte.
    Ich sagte: »Janice ist doch jetzt viel mehr zu Hause, seit sie ihre Stelle verloren hat.«
    »Gott sei Dank. Ich weiß, sie vermisst David auch. Aber sie redet nicht über Krieg oder Kuin oder Whits Einstellung. Das ist vermintes Gelände.«
    Die Loyalität, die Janice ihrem zweiten Mann entgegenbrachte, war bemerkenswert und wohl auch bewundernswert, obwohl ich lange gebraucht habe, um es so zu sehen. Wann wird Loyalität zum Martyrium, und wie gefährlich war Whitman Delahunt überhaupt? Doch solche Fragen durfte ich Kait nicht stellen.
    Kait hätte sie auch nicht beantworten können, genauso wenig wie ich.
     
    Als ich nach Hause kam, lag Ashlee schon im Bett. Sue und Ray saßen am Küchentisch über einer Karte der westlichen Bundesstaaten gebeugt und unterhielten sich leise. Ray verstummte jählings, als ich eintrat, doch Sue lud mich ein, mich dazuzusetzen. Ich lehnte höflich ab, sehr zu Rays Erleichterung, und gesellte mich lieber zu Ashlee, die zusammengerollt auf ihrer Seite lag, das Laken nach unten gestrampelt, die nächtliche Brise lockte eine Gänsehaut auf ihren Oberschenkel.
    Sollte ich mich am Ende schuldig fühlen, weil ich kein privates Martyrium gesucht oder gefunden hatte: wie Janice, die von ihrem Pflichtgefühl an Whit gefesselt war; wie David, der nach China unterwegs war wie eine Kugel ins Ziel, gerade so ersetz- und austauschbar; oder wie mein Vater, der sein Leben als Martyrium rechtfertigte? (Ich war bei ihr, Scotty.)
    Als ich mich aufs Bett rollte, regte sich Ashlee, murmelte und presste sich an mich, warm in der nächtlichen Kühle.
    Ich versuchte mir vorzustellen, wie es sein musste, wenn Martyrium rückwärts lief. Wie wunderbar, der Göttlichkeit zu entsagen, vom Kreuz herunterzusteigen, von der Verklärtheit zur schlichten Weisheit zu reisen, um zu guter Letzt bei der Unschuld zu landen.

 
ZWANZIG
     
     
    Hitch fehlten zwei Finger der linken Hand, und er humpelte. Und das Lächeln schien ihm auch nicht mehr so leicht zu fallen, obwohl er Sue anlächelte und mich mit einem durchaus freundlichen Blick taxierte. Natürlich zauberte er kein Lächeln auf Ashlees Gesicht.
    Ashlee arbeitete in der städtischen Wasseraufbereitungsanlage, schrieb die Zustandsberichte für die Behörden und bearbeitete die Außenstände für die Finanzverwaltung. Sie kam müde nach Hause und wäre beim Anblick von Hitch Paley beinahe ohnmächtig geworden, und das, obwohl Hitch einen passablen Anzug trug und sich sogar an einem Schlips versucht hatte. Hitch blieb eine schlechte Erinnerung für Ashlee – er war dabei gewesen, als sie Adam verloren hatte.
    Sie erkannte natürlich nicht den früheren FBI-Papiertiger Morris Torrance, der inzwischen noch kahler war als Ray Mosely und ebenfalls mit dem Lieferwagen gekommen war, der jetzt vor dem Haus parkte. Ich wollte Ashlee mit ihm bekannt machen, aber sie meinte nur in einem flachen Tonfall: »So viele können wir nicht unterbringen, Scott. Auch nicht für eine Nacht.«
    Der Aussetzer in ihrer Stimme spiegelte ein bisschen Angst und eine Menge Unmut.
    »Wo denkst du hin«, sagte Hitch hastig. »Die Zimmer im Marriott sind schon reserviert. Schön, dich zu sehen, Ashlee.«
    »Dich auch«, sagte sie.
    »Und danke, dass wir bleiben durften«, warf Sue Chopra ein. »Ich weiß, wir haben euch Umstände gemacht.«
    Ashlee nickte, vielleicht besänftigt durch den Anblick

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