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Die Clans von Stratos

Die Clans von Stratos

Titel: Die Clans von Stratos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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Kribbeln breitete sich über Maias Rücken aus. Sie kannte solche Empfindungen von früheren Wintern, doch jetzt waren sie stärker.
    Auf Deck war schon einiges los; die Matrosen der Morgenschicht schlurften ziellos und träge umher. Die Frostkruste beeinflußte sie zwar nicht körperlich, aber der Kapitän wirkte unzufrieden und verärgert. Er fauchte seine Offiziere an und betrachtete immer wieder stirnrunzelnd den feinen Kristallstaub.
    Die unglücklichste Person in Sicht war jedoch die einzige Frau – die jüngste von Kiels Radis, ein Mädchen in Maias Alter. Sie fegte den Glorienfrost mit einem Besen in einen viereckigen Eimer, den sie über die Reling auskippte, ehe sie sich der nächsten Ladung zuwandte.
    Maia spürte, daß sich hinter ihr etwas regte – noch eine Frau, die mit der Sonne aufstand. Als sie sich umwandte, sah sie, daß es Naroin war, die die Treppe heraufkam und sich neben Maia stellte. Nach einem stummen Morgengruß meinte sie: »Na, sieh dir das an. Ein toller Anblick, was? Schade, daß alles wieder weg muß.« Genüßlich sog sie die sanfte, kühle Brise ein.
    Dann stieg die Matrosin wieder hinunter, verschwand kurz im Dämmerlicht der engen Kabine und erschien kurz darauf mit Maias Mantel aus der Koje, die Maia gerade geräumt hatte. »Hier«, meinte sie freundlich und deutete dann auf das Mädchen, das noch immer unlustig das Deck fegte. »Das ist auch deine Aufgabe. Das Gesetz des Meeres. Die Frauen bleiben unter Deck, bis der Frost weg ist. Die Jungfrauen machen sauber.«
    Maia wurde rot. »Woher willst du wissen, daß ich…?«
    Naroin hob beschwichtigend die Hand. »Das ist bloß eine Redensart. Die Hälfte der Vars hier« – sie machte mit dem Daumen eine Bewegung zu den schlafenden Frauen in der Kabine – »hatten noch nie etwas mit einem Mann und werden auch nie etwas haben. Nein, es geht nur ums Alter. Die Mädchen müssen fegen. Na los, Kind. Eia!«
    »Eia«, antwortete Maia mechanisch und schlüpfte in den Mantel. Sie vertraute Naroin, die bei solchen Themen bestimmt nicht log. Aber sie fand es unfair. Nur zögernd ließ sie sich von der Bootsfrau hinausschieben.
    Die Tür schloß sich. In der kühlen Luft bildete Maias Atem weiße Nebelschwaden. Sie rieb sich die Hände und ging seufzend zum Geräteschrank, um sich einen Besen zu holen.
    Der Blick des anderen Mädchens schien zu fragen: Wo warst du denn? In der gleichen Zeichensprache antwortete Maia mit einem Achselzucken.
    Ich wußte nichts davon. Woher auch?
    Es war logisch, wenn man darüber nachdachte. Der Glorienfrost beeinflußte die Frauen – Lysos sei Dank – nicht so stark, wie es die Aurorae bei den Männern taten. Doch er löste bei Frauen im gebärfähigen Alter sexuelle Gedanken aus, genau zu der Zeit, in der die meisten Männer lieber ein Spiel spielten oder ein Buch lasen, als sich mit einer Frau abzugeben. An Land war der Zustand für die Männer zwar gelegentlich störend, aber sie konnten den Frauen aus dem Weg gehen. Auf hoher See war das natürlich nicht möglich. Fünf- und Sechsjährige, die von den Jahreszeiten noch nicht so stark beeinflußt wurden und für die Männer sowieso nicht attraktiv waren, mußten den Frost wegfegen, damit die anderen Frauen vor der Mittagszeit wieder nach draußen konnten.
    Rasch verlor das Fegen den Reiz des Neuen. Maia fand das recht angenehme Kitzeln in der Nase längst nicht so faszinierend, wie immer behauptet wurde. Während sie einen Eimer nach dem anderen zur Reling trug, wurde sie das Gefühl nicht los, daß jemand sie beobachtete. Bestimmt deuteten die Matrosen mit dem Finger auf sie und lachten sie aus.
    Der Grund dafür hatte nichts mit dem Glorienfrost zu tun, sondern lag in dem Fiasko des Spiels vom Abend zuvor. Als wäre es nicht schlimm genug, eine schlichte Var zu sein, die sich auf einer unfreiwilligen Reise befand. Aber das Spiel des Lebens hatte sie nun endgültig zum Gespött der Besatzung gemacht.
    Und natürlich war einer ihrer Gegner, der Juniorkoch, gerade dabei, unter dem Überhang des erhöhten Achterdecks ein Kochfeuer zu entfachen. Als Maia beim Fegen in seine Nähe kam, grinste er und lispelte durch seine Zahnlücke: »Na, wann machen wir das nächste Spielchen? Sag nur Bescheid, egal, wann du und der Sternenmann Lust dazu habt – wir sind bereit.«
    Maia tat, als hätte sie ihn nicht gehört. Der Knabe war eindeutig kein großes Licht, und doch hatten er und sein Freund mit Rennas sorgsam durchdachtem Plan kurzen Prozeß gemacht. Schon nach

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