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Die Clans von Stratos

Die Clans von Stratos

Titel: Die Clans von Stratos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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weiterzuklettern. Der Druck des Knüppels ließ nach, und sie atmete erleichtert aus, zuckte aber gleich wieder zusammen, als etwas in ihren Schenkel stach. Mit der freien Hand fischte Maia die in Stoffetzen eingewickelte Schere heraus. Einem plötzlichen Impuls nachgebend, rollte sie sich noch einmal zusammen und warf die Schere in die kleine dunkle Öffnung. Augenblicklich war ihr Knöchel frei.
    Nun verschwendete sie keine Zeit mehr. Zwar zitterten die Muskeln in ihrem rechten Bein und im Rücken, aber ihre Arme fühlten sich erfrischt; allerdings mußten sie anfangs die meiste Arbeit erledigen. Bald kletterte sie fast rechtwinklig nach oben, den Schiffsrumpf im Rücken. Eine solche Tortur hätte sie als gerade erst flügge gewordene Fünfjährige nicht durchgehalten. Jetzt dachte sie an nichts anderes als an die nächste anstrengende Bewegung, das nächste koordinierte Hochziehen von Händen, Knien und Knöcheln. Als ein Bein endlich über der Reling landete, ließ sich Maia aufs Unterdeck rollen und suchte sofort Schutz hinter dem Großmast; schwer atmend wartete sie dort darauf, daß der Schmerz nachließ und sie wieder den Geräuschen der Nacht lauschen konnte.
    Das Schiff knarrte leise, während es am Anker hin und her schaukelte. Die Wellen plätscherten gegen den Schiffsrumpf. Maia hob den Kopf und blickte hinüber zu dem kleineren Schiff, der Draufgänger. Zwei Frauen mit roten Kopftüchern hockten neben einem umgekippten Faß, auf dem eine Laterne stand. Obwohl sie würfelten, waren keine Geldstäbe zu sehen, was erklärte, warum die Spielerinnen so wenig Engagement zeigten. Abwechselnd ließen die beiden die elfenbeinernen Würfel rollen und unterhielten sich dabei leise.
    Als sie sich umdrehte, merkte Maia erschrocken, daß die Manitou völlig verlassen wirkte. Nach Thallas Beschreibung würden sich natürlich zwei kräftige Vars direkt unter ihr vor der Tür zum Laderaum aufhalten. Doch es mußte eine wirklich dringende Angelegenheit sein, die alle anderen Freibeuter von hier vertrieben hatte.
    Um eine Gefahr rechtzeitig vorauszusehen, mußte sie hören und sehen können. Als Maia sich etwas sicherer fühlte, bemerkte sie jedoch plötzlich eine Vielzahl anderer Sinneseindrücke, vor allem Gerüche. Essen, wurde ihr mit einem Mal klar, und so schnell und leise sie konnte, schlich sie sich nach achtern. Direkt unter dem Quarterdeck war das Essen zubereitet und verspeist worden. Ein Stapel fettverschmierter Teller türmte sich in einem großen Topf, übergossen mit einem Schwall Meerwasser. Das daraus entstehende Gemisch war selbst in Maias Zustand alles andere als appetitanregend, deshalb suchte sie weiter und fand schließlich in einer Ecke ein paar harte Brötchen auf einem wackeligen Tisch und daneben ein offenes Faß mit frischem Wasser.
    Durstig trank sie, und zusammen mit den eingetunkten Brotkanten wurde das Ganze ein regelrechtes Festmahl. Während sie kräftig zulangte, suchte Maia einen Sack oder ein Stück Stoff – irgend etwas, womit sie das Essen zu Brod zurücktragen konnte. Brot in beiden Händen, eilte sie zu einer Reihe schmaler Türen hinten auf dem Hauptdeck. Als sie eine davon öffnete, sah sie die steile Leiter, die zu dem Zimmer hinunterführte, in dem sie bis vor wenigen Wochen mit einem Dutzend anderer Frauen gewohnt hatte, jeweils vier Kojenbetten übereinander. Rasch stieg Maia hinab; zum Glück ergab ihre Inspektion, daß keine Freibeuterinnen auf den Betten schlummerten. Allerdings hatte Maia das auch nicht vermutet, da alle zu dem geheimnisvollen Treffen geeilt zu sein schienen.
    Ursprünglich war sie auf der Suche nach einem Sack heruntergestiegen, aber jetzt merkte Maia, daß sie fror. Warum soll ich nicht auch ein paar Sachen zum Anziehen mitgehen lassen?
    Bei ihrem alten Bett fing sie an. Aber das war nach dem Kampf auf hoher See leider von einer wesentlich größeren und leider ziemlich geruchsintensiven Frau übernommen worden. Also schlich Maia weiter, bis sie in der Dunkelheit am Fuß eines Bettes ein zusammengefaltetes Hemd und eine ordentlich geflickte Hose fand, die ihr ungefähr paßten. Noch immer auf dem trockenen Brot kauend, schlüpfte Maia aus ihrer zerfetzten Hose und zog die gestohlenen Sachen über. Den Schnurgürtel mußte sie zwar sehr eng zurren, aber alles andere war in Ordnung. Ihre Aufmachung wurde vervollständigt von einer sauberen, wenn auch etwas abgeschabten Jacke, die sie allerdings nicht zuknöpfte, für den Fall, daß sie doch wieder ins

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