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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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wagten, die der Fluss durch den Berg gesägt hatte, hinauf zu den Mönchen der Einsiedelei Galamus, um in der geweihten Grotte den Beistand der Mutter Gottes zu erflehen.
    Doch statt zur Einsiedelei führte Arnaut sie auf Hirtenpfaden noch einmal hoch hinauf und über die langgestreckte Bergkette, die die natürliche Grenze der Corbieras ausmacht. Endlich, nach Stunden, erschöpft vom langen Aufstieg, blickten sie in der Abenddämmerung hinab in jenes Tal, in dem Arnauts Familie herrschte und in dessen Mitte sich auf einem felsgekrönten Hügel Castel Rocafort erhob.
    Die Burg war nicht groß, wirkte eher zierlich aus der Entfernung, doch vor dem Hintergrund dunkler Wälder, im Licht der untergehenden Sonne, da schienen ihre Mauern regelrecht zu glühen, als hätte Gottes Finger sie berührt. So jedenfalls kam es Ermengarda vor. Ein fernes Leuchtzeichen in der Dämmerung. Sie achtete kaum auf Arnauts Erklärungen, denn ein überwältigendes Gefühl neuer Hoffnung hatte sie erfasst. Würde sich nun, trotz aller Rückschläge, ihr Schicksal wenden?

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    Ermengarda
    »Denn wer liebt, der ist voller Sehnsucht und findet nie ruhigen Schlaf, sondern zählt und berechnet die ganze Nacht hindurch die Tage, die da kommen und gehen.«
     
    Chrétien de Troyes (*1135, †1183)

Das Zerwürfnis
    T ibaut de Malvesiz war in diesen Tagen nicht sehr beliebt bei der
Vescomtessa
Ermessenda. Den ganzen Monat Dezember hindurch hatte sie ihn täglich nach Neuigkeiten bedrängt, wobei sie immer ungeduldiger und ihr Ton schärfer geworden war. Doch seit der Botschaft aus dem Vallespir war keine weitere Kunde zu ihnen gedrungen.
    Tibauts Miene wurde deshalb stetig grimmiger, als sich die befürchtete Erkenntnis durchsetzte, dass sein Mann den Auftrag verfehlt hatte und Ermengarda sich gesund und munter in Barcelona aufhalten musste. Er sah durch diesen Fehlschlag seinen Einfluss und seine Macht über la Bela in Gefahr.
    Ermessenda häufte beißenden Tadel über ihn, war jedoch innerlich erleichtert, dass sein Plan sich nicht erfüllt hatte. Sie hatte zugestimmt, dennoch war ihr immer unheimlich bei dem Gedanken gewesen. Vielleicht war die Gelegenheit gekommen, den Widerling endlich loszuwerden.
    Überhaupt, hatte sie sich etwa auf die falsche Seite geschlagen? Bangen Herzens fragte sie sich, ob Ramon Berenguer ein Heer schicken würde, den Trencavels zur Seite zu stehen. Es überfiel sie ein Gefühl der Machtlosigkeit. Immer hatte sie sich etwas darauf eingebildet, Männer beherrschen zu können. Aber Menerba war ihr entglitten, Alfons benutzte nur ihren Leib zu seinem Vergnügen, und Tibaut hatte Dinge gegen sie in der Hand, die ihr gefährlich werden konnten. Und dann erst der raffgierige Erzbischof, der ihr diese vermaledeite Hochzeit aufgezwungen hatte. Sie wünschte ihm die Pocken an den Hals.
    La Bela konnte sich einer nagenden Furcht nicht erwehren. Im Geiste sah sie ihre Stieftochter in Waffen gekleidet unter dem Banner ihres Vaters einem katalanischen Kriegshaufen voranreiten, um Alfons aus der Vizegrafschaft zu vertreiben und sie selbst zu töten. Ein lächerliches Bild, wenn man es ernsthaft betrachtete, und dennoch erschreckte sie der Gedanke. Vergeblich versuchte sie, ihn aus ihrem Herzen zu verbannen. Denn unter Barcelonas Schutz und mit Hilfe der Trencavels und genügend Überläufern des Stadtadels … wer weiß? Dass ein solcher Ausgang ihr eigenes Schicksal besiegeln würde, stand für la Bela außer Frage. Sie selbst hätte keine Gnade gekannt, warum also mehr von Ermengarda erwarten?
    Sie fragte sich, was Menerba vorhatte. Er saß da oben in den Bergen in seiner Festung und rührte sich nicht. Zweifellos warteten viele Barone auf ein Zeichen von ihm, wie man sich verhalten sollte. Wenigstens war er nicht zu Roger de Trencavel übergelaufen. Doch dass er jetzt auf Ermengardas Seite stand, daran hatte er keinen Zweifel gelassen. So wie früher auf seine Hilfe zählen konnte sie wohl nicht mehr.
    Sie dachte in letzter Zeit oft an die Jahre mit ihm, öfter, als ihr lieb war, und nicht ohne Wehmut. Sogar, wenn sie sich Alfons’ plumpen Zärtlichkeiten hingab.
Bon Dieu,
dieser Tolosaner hatte wahrhaftig kein Talent zum Liebhaber.
    Leider war sie nun so weit in die eigenen Machenschaften gegen Ermengarda verstrickt, dass sie kaum noch eine andere Wahl hatte, als sich weiter an Alfons zu halten. Zum Glück konnte sie ihn immer noch wie einen Nasenbären tanzen lassen. Manchmal gab sie sich sinnlich, dass es ihn in seiner

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