Die Comtessa
er.
»Du störst nicht. Komm, setz dich her und bete mit mir.«
Sie ließen sich auf einer der Bänke nieder. Felipe starrte vor sich hin. Er schien etwas auf dem Herzen zu haben, aber sah aus, als scheute er sich, es auszusprechen.
»Was ist?« Sie legte ihm aufmunternd die Hand auf den Arm.
Da hielt es ihn nicht länger.
»Wen liebst du mehr, mich oder Arnaut?«, fragte er, und sie spürte ein Beben in seiner Stimme aus Unsicherheit und Furcht, schwankend zwischen Verzweiflung und Hoffnung, als hinge der Lauf der Welt von ihrer Antwort ab. Darüber erschrak sie.
»Ich liebe euch alle beide und Raimon dazu.« Etwas Besseres wollte ihr nicht einfallen.
Felipe starrte sie an. O Gott, dachte sie, er weiß, es ist nur eine dumme Ausflucht. Bevor sie sichs versah, schlang er seine Arme um sie und zog sie heftig an sich, um sie zu küssen. Sie wehrte sich, wandte ihr Gesicht ab.
»Hast du keine Angst, dich bei mir anzustecken«, fragte sie in ihrer Not. »Ich war doch bei den Aussätzigen. Hast du das vergessen?«
Felipe ließ sie los. Er sah sie lange an, ohne sich zu regen.
»Ja, steck mich nur an«, sagte er leise, ergeben, fast ehrfurchtsvoll. »Es würde mich glücklich machen. Was könnte ich mir Besseres wünschen, als ein einzig Schicksal mit dir zu teilen?«
So stark waren seine Gefühle? Tränen sprangen ihr in die Augen. »Oh, Felipe«, hauchte sie. »Es tut mir leid.«
»Du liebst also Arnaut.«
Ihr Schluchzen hallte seltsam von den Wänden zurück.
»Sag es mir!«
Es fiel ihr unendlich schwer, es offen zu bekennen. Aber dann hob sie die Augen und fand den Mut, ihm die Wahrheit zu sagen.
Sie nickte benommen. »Es ist wahr. Ich liebe Arnaut.«
Ganz still war er geworden. Durch ihre Tränen gewahrte sie ihn nur verschwommen. Bleich und steinern saß er da, wankte ein wenig. Dann sprang er auf und lief ohne ein weiteres Wort aus der Kapelle. Krachend fiel die Tür ins Schloss.
Ermengarda presste die Hand vor den Mund, als wollte sie das Gesagte ungesagt machen. Nun war aus unbekümmerter Leichtigkeit tiefer Ernst geworden. Sie hatte doch nur etwas Bewunderung genießen, ein wenig mit der Liebe spielen wollen. Aber jedes Mal, wenn sie in diesen Tagen Arnaut auch nur ansah, wurde ihr Herz schwer vor Sehnsucht nach ihm. War das die Liebe, die sie gesucht hatte? Ihr geliebter Ovid hätte gesagt, sie war wie Ikarus zu hoch geflogen und der Sonne zu nah gekommen. Es überkamen sie Schuldgefühle, als sie daran dachte, was sie Felipe angetan hatte. Ihr schwante, dass das Spiel mit dem Feuer Folgen haben würde, für alle drei.
Und diese Vorahnung täuschte sie nicht. Sie schreckte hoch, als von draußen Geschrei und Waffenlärm hereindrangen. Rasch bekreuzigte sie sich und rannte aus der Kapelle.
Draußen, zu ihrem Entsetzen, sah sie Arnaut und Felipe sich gegenseitig mit blanken Waffen angehen. Die Leute aus dem Dorf kamen angerannt und machten erschrockene Gesichter, doch keiner wagte, einzugreifen. Später sollte sie erfahren, dass Felipe, in einem Anfall von Raserei, seinen vermeintlichen Nebenbuhler Arnaut, der nichtsahnend auf dem Weg hinauf zur Burg gewesen war, vom Pferd gerissen hatte. Nun hieben sie aufeinander ein, wobei sie weder Helm, Schild noch Rüstung trugen, nur ihre langen, ach so scharfen Schwerter.
»Nein!«, schrie sie auf und hastete zu den Kämpfenden, zwängte sich durch die Umstehenden. Sie merkte nicht, dass Arnaut zurückwich, nur parierte und sich verteidigte. Sie sah nur blitzende Klingen, die durch die Luft fuhren und sich klirrend kreuzten. Ein einziger gelungener Hieb würde genügen, einen von ihnen zu töten oder schwerstens zu verletzen. Alles in ihr bäumte sich dagegen auf. Hätte es Arnaut getroffen, ihr Herz wäre auf der Stelle stehengeblieben, kaum minder, läge Felipe blutend am Boden. Ungeachtet ihrer eigenen Sicherheit warf sie sich zwischen die Streithähne.
»Hört auf!«, schrie sie außer sich. »Hört sofort auf.«
»Geh aus dem Weg«, brüllte Felipe. »Oder willst du gleich mit ihm sterben?«
Als er merkte, dass Ermengardas Eingreifen Arnaut abgelenkt hatte, holte er erneut zum Schlag aus. Da warf sie sich wie eine Wildkatze gegen ihn, hängte sich mit beiden Händen an seinen Schwertarm und ließ nicht mehr los. Für einen Augenblick suchte Felipe freizukommen, dann endlich schien sich der rote Nebel vor seinen Augen zu lichten. Er ließ das Schwert fahren, stieß sie von sich und holte tief Luft.
»Angst um deinen Liebsten?«, fragte er
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