Die Comtessa
gehässig. Heftig ging sein Atem, der Mund eine bittere Wunde. »Hast du auch schon sein Lager geteilt? Ich hoffe, es hat dir gefallen.«
Da erhob sich Ermengarda zu voller Größe und funkelte ihn zornig an. Wie konnte er es wagen? Fast hätte sie ihm ins Gesicht geschlagen, aber sie beherrschte sich. Doch hinnehmen durfte sie dies nicht. Sie war die Herrin von Narbona.
»Du vergisst wohl, wer ich bin, Felipe de Menerba«, sagte sie in einem schneidenden Ton, den ihr niemand zugetraut hätte. »Du hast mir Treue geschworen und schuldest mir Respekt. Und zollst du ihn nicht, so nimm dein verdammtes Schwert und troll dich.«
Es war sehr still geworden. Felipe stand lange unbeweglich da und hielt ihrem wütenden Blick stand. Dann bückte er sich und hob die Waffe auf.
»Das will ich tun.« Mit diesen Worten ließ er sie beide stehen.
»Ermengarda …« Arnaut wollte erklären.
Sie fuhr herum. »Lass mich in Ruh«, fauchte sie.
***
Felipe hatte ohne ein weiteres Wort gepackt, die Rüstung angelegt und war auf seinem Wallach davongeritten. Den geschenkten Hengst ließ er zurück.
Ermengardas Auftritt hatte Arnaut erstaunt. Als habe sich das sanfte Kätzchen in eine Löwin verwandelt.
Vor allem verstand er nicht die Schroffheit, mit der sie ihn behandelt hatte, und war wütend und gekränkt. Es war, als machte sie ihn für den Vorfall verantwortlich. Dabei sah er in Felipes Angriff nichts weiter als einen vorübergehenden Ausbruch verletzter Eitelkeit. Der würde sich schon wieder beruhigen.
Es bedurfte Raimon, um ihm vorsichtig verständlich zu machen, dass sich hinter Felipes meist unbekümmertem Auftreten tiefe Gefühle für Ermengarda verbargen. Und dies nicht erst seit ihrer Flucht.
»Weshalb wohl hat er die Sache eingefädelt, den Zorn seiner Familie herausgefordert, vielleicht sogar sein Erbrecht aufs Spiel gesetzt? Keine kleine Sache. Und nun kommst du daher und nimmst sie ihm weg.«
»Ich? Denkst du, ich hab mich vorgedrängelt?«, verteidigte sich Arnaut. »Und hab ich etwa weniger gewagt als er? Mich hätten sie aufgeknüpft, wenn sie uns erwischt hätten. Und was ist mit dir? Du bist an deiner Wunde fast gestorben.«
Raimon erklärte ihm, dass mit Felipe ein bedeutender Pfeiler von Ermengardas zukünftiger Macht weggebrochen war.
»Die Menerbas sind nicht die einzige Stütze der Vizegrafschaft, aber doch eine wichtige«, sagte er. »Auf Felipes Vater wird sie sich kaum verlassen können. Der war immer auf la Belas Seite und hat sie gegen jede Anfeindung verteidigt. Mit Felipe bestand die Hoffnung, dies zu ändern. Das kann man jetzt ja wohl vergessen.«
»Ist es meine Schuld?«
»Felipe denkt so.«
»Verflucht noch mal.«
»Vielleicht solltest du ihm nachreiten.«
»Soll ich mich dafür entschuldigen, dass er versucht hat, mich zu erschlagen?«
»Wohl nicht.« Raimon seufzte. »Dumme Geschichte.«
Dann räusperte er sich und fragte: »Habt ihr … du und Ermengarda … ich meine …«
Arnaut sah ihn ungläubig an. »Denkst du etwa …«
»Felipe scheint es zu glauben.« Raimon zog hilflos die Schultern hoch, als Arnaut ihn entrüstet anstarrte. »Ach, vergiss, was ich da gesagt habe.«
»Ihr müsst sehr schlecht von ihr denken. Und von mir wohl auch.«
»Nein. Natürlich nicht.«
Arnaut war jetzt richtig wütend. »Wenn du von mir schon nichts hältst, vergiss nicht, sie ist unsere Herrin und keine Dienstmagd, die sich mit jedem Knecht im Heu wälzt.«
»Es tut mir leid.«
»
Putan,
Raimon. Das sollte es auch.« Arnaut konnte richtig furchterregend aussehen, wenn er wütend war.
»Es tut mir leid«, sagte Raimon noch einmal.
Danach schwiegen sie. Es gab ja auch nichts mehr zu sagen. Eine dumme Geschichte in der Tat. Wie Raimon gesagt hatte.
***
Nach diesem Vorfall wollte Ermengarda allein sein und mit niemandem sprechen. Ungeachtet der Gefahr, dass der Meuchelmörder sie trotz aller Vorsichtsmaßnahmen aufgespürt haben könnte, ritt sie ohne Begleitung über die Felder.
Sosehr ihr Herz für Arnaut schlug, Felipes Freundschaft war ihr wichtig. Darüber hinaus spürte sie, genau wie Raimon, dass dies ein Rückschlag für ihre zukünftigen Bestrebungen war. Arnaut gab sie keine Schuld. Beim Anblick der blanken Schwerter hatte sie schieres Grauen erfasst. Wenn ihm etwas geschehen wäre, nicht auszudenken, sie hätte es nicht ertragen.
Nein, es war nicht seine Schuld. Auch nicht Felipes. Sie allein hatte versagt. Sie dachte an die lange Linie ihrer heldenhaften Vorfahren.
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