Die Comtessa
sondern auch ein äußerst ungezogener Bengel,
Midomna.
Wie der gute Ovid gleich im Anschluss rät, es ist wohl besser, man ergibt sich. Denn ringt man mit ihm, wird dies die Flammen nur noch weiter schüren.«
Raols Plan
N un weißt du, was Krieg bedeutet«, sagte Raol auf dem Weg zurück nach Rocafort.
Es hatte länger gedauert als geplant. Mehrfach hatten sie Umwege reiten müssen, um Truppen der einen oder anderen Seite aus dem Weg zu gehen. An den vielen Rauchsäulen am Horizont hatte sich erkennen lassen, wo sie gerade hausten. Abgebrannte Bauernkaten und angekohlte Leichen bildeten die Spur der Heerhaufen.
Krieger auf einem Feldzug müssen versorgt werden, und so war es nicht anders zu erwarten, als dass Reitertrupps das Land durchstreiften, um Getreide und Vieh zu beschlagnahmen.
Doch es schien nicht zu genügen, dem armen Landvolk ihr letztes Hab und Gut zu stehlen, man musste sie auch noch umbringen, so schien es, am besten nachdem alle Weiber im Dorf missbraucht worden waren. Tiere wurden wahllos und oft sinnlos geschlachtet. Arnaut erinnerte sich immer wieder an das Bild einer toten Kuh, der man hastig ein paar Fleischteile aus der Lende geschnitten hatte, um den Rest des Tieres der Verwesung zu überlassen. Es war nur eine verdammte Kuh, aber sie stand für die sinnlose Willkür und Grausamkeit dieser Plünderungen.
Neben den aufgeblähten, stinkenden Leichen ihrer Eltern hatten hungernde Kinder ihnen flehentlich die Hände entgegengestreckt, andere waren in Schrecken vor ihnen davongelaufen, nur weil sie Waffen trugen. Sie hatten geschändete Frauen angetroffen, die mit letzter Kraft Männer und Söhne begruben, Trauben von Menschen, die vor den Klöstern um einen Kanten Brot bettelten. Auf den Höfen, die man verschont hatte, verteidigten Bauern mit Sichel und Mistgabel in der Faust ihre Habe vor den hungernden Flüchtlingen, die ihnen das Korn aus den Scheunen stahlen.
Arnaut hatte Mühe, die Eindrücke aus dem Kopf zu bekommen, konnte nachts nicht schlafen, wenn sie irgendwo in einer Scheune oder verlassenen Hütte ihr Lager aufgeschlagen hatten.
»Ist es immer so?«, fragte er.
Raol nickte grimmig. »Meistens.«
»Und in Outremer? War es da auch so?«
Raol antwortete nicht, aber Arnaut konnte sich sein Teil denken. Das Bild, das er vom edlen und heldenhaften Kriegerdasein gehabt hatte, war nun vom Blut und Dreck dieses Feldzugs besudelt. Das verwirrte ihn. Er wollte mit seinem Onkel darüber reden. Aber Raol verweigerte sich, schwieg grimmig.
Nach fünf Tagen erreichten sie wieder Rocafort, wo ihnen ihr heimisches Tal wie eine Insel der Ruhe und Glückseligkeit vorkam.
»Wie sieht es aus?«, fragte Jaufré besorgt.
»Hässlich«, erwiderte Raol und sah seinen Vater mit versteinerter Miene an. Sie wussten beide, wie es gemeint war.
Arnaut traute seinen Augen nicht, als er die katalanischen Ritter auf der Wiese sah. Der Anblick der vielen Pferde und blitzenden Rüstungen, aber vor allem das ausgelassene Lachen seiner Freunde ließen das gerade Erlebte ein wenig in den Hintergrund treten. Vielleicht hatte der Herrgott sie doch noch nicht vergessen. Besonders die Umarmung Bruder Aimars war wie eine Erlösung von den Sorgen um die verlorenen Freunde und den Schuldgefühlen, die er all die Wochen gehegt hatte. Man stellte ihnen
Senher
de Castellvell vor, ein Mann, der ihn beeindruckte. Und als dann Ermengarda ihn bei der Hand nahm und auf die Wange küsste, schien die Welt doch wieder ein wenig besser zu sein.
Man versammelte sich in der
aula.
In knappen Worten schilderte Raol, was sie in Erfahrung gebracht hatten.
»Die Trencavels ziehen sich auf ihre Festungen zurück und überlassen es Alfons, das Land zu verheeren. Und es sieht ganz danach aus, als ob sie Carcassona belagern werden. Ein längeres und schwieriges Unterfangen, wenn man die Stärke der Stadtmauern gesehen hat. Ein paar Wochen, schätze ich daher, und sie werden sich einigen, irgendein Abkommen treffen.«
»Heißt das, von den Trencavels ist nicht mehr viel zu erwarten?«, fragte Ermengarda besorgt. Bei dieser Frage war es still geworden in der
aula.
Alle blickten auf Raol.
»Ganz recht«, sagte er und vermied es, sie anzusehen. »Sie werden sich noch ein wenig zieren und die Sache hinhalten. Das schulden sie ihrem Stolz. Alfons seinerseits wird sich hüten, zu viele Männer nutzlos an der Mauer sterben zu lassen. Es wird auf gegenseitige Zugeständnisse hinauslaufen. Nur, was Narbona betrifft …« Er ließ den Satz
Weitere Kostenlose Bücher