Die Comtessa
unvollendet.
Alle schwiegen, um das Gesagte zu verdauen. Dann räusperte sich
Senher
de Castellvell und lächelte Ermengarda bedauernd zu.
»Es wird wohl das Beste sein, meine Liebe, dass wir Euch nach Barcelona bringen. Schließlich sollten wir
Senher
Jaufrés Gastfreundlichkeit nicht allzu sehr überspannen. Die Tolosaner werden außerdem bald erfahren, dass wir uns hier aufhalten. Dann käme der Krieg auch in dieses schöne Tal.«
Ermengarda ließ die Schultern hängen. Sie schloss einen Augenblick lang die Augen und holte tief Luft. »Gibt es denn keine andere Möglichkeit? Ich bin nicht bereit, so schnell klein beizugeben.«
Jaufré hob nachdenklich die Brauen, ohne etwas zu sagen. Castellvell lächelte freundlich, zuckte aber mit den Schultern. Die anderen sahen sich hilflos an. Barcelona war wohl das Beste, was immer das bedeuten mochte, denn ob Ramon Berenguer wirklich ein Heer schicken würde, das wusste Gott allein. Zumindest konnte man von dort aus versuchen, den Papst zu bewegen, die Vermählung mit Alfons aufzulösen. Sollte das nicht gelingen, war sie zu einem Leben in der Fremde verdammt, wo auch immer man ihr Aufnahme gewähren mochte. Niemand sprach. Kaum jemand wagte, Ermengarda in die Augen zu sehen.
»Nun«, sagte Raol plötzlich in die Stille hinein. »Da wäre noch eine andere Möglichkeit.«
Überrascht blickte Ermengarda auf und merkte, dass er sie ernst und unverwandt ansah. Dabei funkelte es bedeutungsvoll in seinen Augen. »Kommt darauf an, wie entschlossen Ihr seid,
Midomna.
«
»Sprecht,
Senher
Raol. Ich bitte Euch.«
»Alfons hat nur eine begrenzte Stärke zur Verfügung, wie wir herausgefunden haben. Und das, was er hat, liegt vor Carcassona. Falls er eine Besatzung in Narbona zurückgelassen hat, wird es sich nur um eine kleine, unbedeutende Truppe handeln.«
Beide, Jaufré und Castellvell, warfen ihm einen scharfen Blick zu. Wie Jagdhunde witterten die alten Krieger sofort, auf was er anspielte.
»Du willst doch nicht etwa …«, sagte Jaufré.
»Es würde die Sache schnell beenden«, antwortete Raol. »Vielleicht sogar blutlos, wenn man es richtig anstellt.«
»Will mir jemand erklären, wovon die Rede ist?«, fragte Ermengarda.
»Ich glaube,
Senher
Raol,
Midomna,
plant, Narbona zu erobern«, sagte Castellvell und strich sich nachdenklich über den Schnurrbart. »Und vermutlich will er sich dazu meiner Männer bedienen.«
»Narbona erobern? Aber das ist doch verrückt.«
Auch Arnaut starrte seinen Onkel erstaunt an.
»Verrückt? Vielleicht«, erwiderte Raol. »Doch weniger, als es klingt, wenn man es recht bedenkt. Wie Arnaut mir berichtet hat, ist der Großteil der Städter gegen Alfons. Auch viele der Adeligen halten sich zurück und warten ab. Der Erzbischof und die Vizegräfin werden nicht viel an Männern unter Waffen haben. Wir müssten sie nur überraschen, am besten nachts. Mit Unterstützung aus der Stadt selbst wäre es zu machen.«
Raimon, der schnell begriffen hatte, schlug vor: »Ich könnte vorausreiten und mit den richtigen Leuten reden. Die reichen Bürger und Kaufleute würden sich eine Herrscherin wünschen, die bereit ist, ihre Rechte auszuweiten. Damit könnte man die
militia urbana
auf unsere Seite bringen.«
»Aber, Raimon« sagte Ermengarda besorgt. »Das ist zu gefährlich. Man wird dich erkennen.«
»Es weiß doch keiner, dass ich mit dir geflohen bin.«
»La Bela wird es inzwischen wissen.«
»Aber nicht die Torwache. Einmal in der Stadt, wird mich keiner mehr finden. Jori sollte mit mir gehen. Der kann ganz unauffällig als Bote dienen.«
»Also ein Bürgeraufstand wie in Montpelher?«, fragte Jaufré und kratzte sich nachdenklich am Kinn.
»Genau so«, sagte Raol. »Ist die Stadt erst einmal in Ermengardas Hand, wird Alfons es nicht wagen, die Sache weiter zu verfolgen. Und Unterstützung aus Barcelona käme vielleicht auch zügiger.«
Arnaut und Ermengarda saßen plötzlich aufrechter auf ihren Stühlen. Sie hatten neue Hoffnung geschöpft. Bruder Aimars Miene dagegen drückte Bedenken aus. Gewaltanwendung war ihm nicht geheuer.
Da sagte Jaufré: »Du darfst keine Waffe gegen deinen Lehnsherrn erheben, Raol. Das weißt du so gut wie ich.«
»Ich werde mich aufs Ratschlagen beschränken, Vater.«
»Auch das ist schon ein Treuebruch. Aber gut, man kann es nachher nicht beweisen«, brummte Jaufré. »Ich habe dennoch ein mulmiges Gefühl dabei.«
»Was sagt Ihr,
Senher
Guillem Ramon?«, fragte Ermengarda.
»Nun,
Midomna.
An sich
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