Die Comtessa
zu tun. Alles nur dummes Gerede. Er war bei mir. In Menerba.«
Ermessenda seufzte. »Wir wissen beide, dass das nicht stimmt.« Sie wanderte zu einem Wandtisch hinüber und schenkte sich Wein ein. Menerba sah, dass ihre Hand zitterte, als sie den Kelch an die Lippen hob.
»Wann wirst du ihn gehen lassen?«
»Sobald wir Antworten haben, Peire. Ich verspreche dir, es wird ihm nichts geschehen.«
Ohne ein weiteres Wort stürmte Menerba aus dem Palast.
Es sah so aus, als ob sein eigener Sohn, ohne es zu wollen, ihn zum Gefangenen gemacht hatte. Die Hände waren ihm gebunden. Was konnte er tun? Er durfte es Ermessenda nicht einmal verübeln, dass sie die Umstände der Flucht untersuchen ließ. Er hätte an ihrer Stelle nicht anders gehandelt. Dennoch, Felipe im Kerker und in den Klauen dieses Tibaut, das konnte er nicht hinnehmen. O Felipe, auf was hast du dich da nur eingelassen?
Mit einem Mal fiel ihm wieder Raimons unglaubliche Geschichte ein. Von einer ganzen Schwadron Reiter unter Ermengardas Befehl hatte er geredet. Vermutlich sogar schon in der Nähe, beim Kloster Santa Maria de Fontfreda. In Sorge um seinen Sohn hatte er nur mit halbem Ohr zugehört.
Zweihundert Mann! Damit ließe sich doch etwas anfangen,
putan.
Er eilte durch die Gassen, um sich mit Raimon zu besprechen.
***
Guillem Ramon de Castellvell hielt seine
soudadiers
im Wald nicht weit vom Kloster Fontfreda versteckt. Hier warteten sie auf ihren Einsatz. Wie immer bestand das Soldatenleben weniger aus Kampf als aus endlosem Marschieren, Lagermachen und quälendem Warten. Jetzt, da die Männer wussten, um was es ging, waren sie ungeduldig, es hinter sich zu bringen.
Trotz der Proteste seines Sohns hatte der alte
Senher
Jaufré es sich nicht nehmen lassen, Sohn und Enkel zu begleiten. Mit den Kriegern im Freien zu lagern und Geschichten am Lagerfeuer auszutauschen, das erinnerte ihn an seine eigenen Feldzüge vor so vielen Jahren und wirkte wie ein Jungbrunnen auf ihn.
Prior Berard und seine Brüder waren ganz aufgeregt über all die fremden Gäste. Sie plünderten Schober und Keller, um die hohen Herrschaften würdig zu versorgen. Ermengarda hatte sich wie zuvor bei den Mönchen einquartiert, begleitet und beschützt von Bruder Aimar, Arnaut, Severin und einer Handvoll ausgewählter Ritter als Leibwache. Jori hatte schon auf sie gewartet und sie wissen lassen, dass Raimon wohlbehalten bei seiner Familie angelangt war und dass die Tolosaner in der Tat nur eine dürftige Besatzung zurückgelassen hatten. Nach überbrachter Nachricht kehrte der Junge in die Stadt zurück, um Raimon ihre Ankunft zu vermelden.
Raol und Castellvell erkundeten am nächsten Tag, als einfache Reisende verkleidet, die Umgebung von Narbona, um sich ein Bild von der Lage zu verschaffen. Sie ritten alle Ausfallstraßen ab, um Fluchtwege in Betracht zu ziehen, falls die Sache misslingen sollte. Sie überquerten den Fluss an der Furt westlich der Stadt, ließen den Vorort Belveze zu rechter Hand liegen und ritten in einigem Abstand von der Stadtmauer bis zum jüdischen Friedhof und darüber hinaus, um das Nordtor in Augenschein zu nehmen. Castellvell war besorgt, dass man die Aude, außer an der Furt, nur an einer Stelle überqueren konnte, nämlich über die römische Brücke, die beide Stadtteile verband. Wenn man Narbona als Ganzes einnehmen wollte, war vor allem die Brücke von Bedeutung. Doch sie lag unzugänglich mitten in der Stadt. Nachdenklich schlugen sie den Rückweg ein.
Arnaut hatte es vorgezogen, seinen Onkel auf diesem Erkundungsritt nicht zu begleiten. Nicht weil er fürchtete, unterwegs von jemandem erkannt zu werden, sondern weil er ein klärendes Gespräch mit Ermengarda suchte. Seit dem Vorfall mit Felipe waren sie ständig von Menschen umgeben gewesen. Und wenn nicht, dann war sie ihm ausgewichen. An diesem Nachmittag, hier im Kloster, hatte er sie endlich um eine Unterredung unter vier Augen gebeten. Er führte sie den kurzen Weg am Bach entlang zu Prior Berards Bank, wo sie ungestört waren.
»Ich weiß, ich habe dich gemieden«, sagte sie sofort, bevor er selbst den Mund auftun konnte.
»Und warum?«
Sie senkte den Blick. »Es ist besser so«, flüsterte sie.
»Ist es wegen Felipe? Ich habe ihn nicht herausgefordert, das musst du mir glauben.«
»Nein. Das ist es nicht.« Sie sah ihn an, und ihre Augen wurden feucht. »Ich selbst habe falsch gehandelt und meine Pflicht als Herrin versäumt.«
»Welche Pflicht?«
»Ich darf niemanden
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