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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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bevorzugen. Ich gehöre allen. Gefühle, wie ich sie für dich empfinde, darf ich mir nicht erlauben.«
    »Du darfst nicht lieben?«
    Sie nahm seine Hand in die ihre und sah ihn durch einen Schleier von Tränen an. »Lieben schon. Ich darf es nur nicht zeigen. Du und ich …« Sie schüttelte den Kopf. »Bitte verzeih mir.«
    Bei diesen Worten sprang sie auf und lief davon.
    Arnaut blieb lange auf der Bank sitzen.
    Er war wie gelähmt und fühlte sich elend, obwohl nicht wirklich überrascht. Was hatte er sich nur eingebildet? Aimar hatte recht behalten. Ein Tor war er gewesen, sich von ihren unschuldigen Augen verführen zu lassen und nach ein paar Küssen solch unsinnige Hoffnungen zu nähren. Nun ging es ihm genau wie Felipe. Beinahe umgebracht hätten sie sich ihretwegen.
    Gedankenverloren sammelte er Kieselsteine vom Boden und warf sie nacheinander in den Bach. Als es zu kalt wurde, stand er auf, holte Amir aus dem Stall und sattelte ihn. Freudig blies ihm der Hengst seinen heißen Atem ins Gesicht. Er strich ihm über den Hals, küsste ihn auf die Nüstern, dann saß er auf. Lange blieb er fort. Er trug sich mit dem Gedanken, alles zurückzulassen und in die Ferne zu reiten. Es war, als ob der Wind in den Baumkronen ihm Bilder aus Outremer zutrug, die Weiten der Wüste, das blendende Weiß der Städte. Dort würde er sie vergessen.
    Nach einer Weile traf er auf die Katalanen im Wald. Sie luden ihn ein, sich an ihr Lagerfeuer zu setzen, um einen Schluck aus der Heimat zu teilen. Der Wein war gut und wärmte die Gedärme. Sie standen um ihn herum, schlugen ihm auf die Schulter, wollten alles über Ermengardas waghalsige Flucht erfahren. Dann erzählten sie ihm von ihren Liebsten, manche hatten Kinder. Er sah in die lachenden Gesichter und dachte daran, dass diese Männer, auch wenn er sie kaum kannte, nun seine Kameraden waren und bald ihr Leben für Ermengarda wagen würden. Wie durfte er da fehlen?
    Er winkte seinem Großvater zu, der in ein Gespräch vertieft war, nahm noch einen Schluck und kehrte zum Kloster zurück. Nicht nur Ermengarda hatte er versprochen, an diesem Kampf teilzunehmen. Wenn später alles vorbei war, dann war er frei zu gehen, wohin es ihn zog.
    Am späten Nachmittag und in der Abenddämmerung trafen die Verschwörer einer nach dem anderen auf unterschiedlichen Wegen im Kloster ein. Als Erster Raimon, der schon mit großer Ungeduld erwartet wurde. Dann kam überraschend Giraud de Trias. Arnaut war hocherfreut, ihn wiederzusehen. Sie umarmten sich wie Brüder.
    »Raimon hat mir alles erzählt«, sagte Giraud. »Ich erinnere mich noch, als du mit deinem Severin am Südtor aufgetaucht bist. Der Ritter vom Lande.« Er lachte breit. »Ich hab dich wahrlich unterschätzt. Nicht zu glauben, was ihr vollbracht habt. Du weißt, meine
familia
schwört dem Erzbischof die Treue. Aber nun will ich nicht mehr abseitsstehen. Es wird Zeit, dass Narbona sich zu Ermengarda bekennt. Du kannst auf mich und meine Freunde zählen. Wir sind mehr als fünfzig Mann.«
    Prior Berard, völlig überwältigt von den jüngsten Entwicklungen, schüttelte den Kopf. »Alles junges Volk, das sich da um die
domina
schart. Ist es denn ein Aufstand der Jugend? Wenn das nur gutgeht.«
    Und zuletzt, zu aller Erstaunen, denn Raimon hatte nichts verraten, ritt
Vescoms
de Menerba, begleitet von zwei Rittern, auf den Hof des Klosters. Er warf den Mantel zurück, in den er sich vermummt hatte, um nicht erkannt zu werden, und schritt auf Ermengarda zu.
    »Domina«,
sagte er mit bewegter Stimme und sank vor ihr auf ein Knie. »Ich will Euch dienen wie zuvor Eurem Vater, Gott hab ihn selig.«
    Sie fasste ihn bei der Hand. »Erhebt Euch,
Vescoms.
Ich bin sehr froh, Euch zu sehen.«
    Die Gegenwart des Vizegrafen von Menerba erfüllte den Prior mit mehr Vertrauen in das geplante Unternehmen, und er scheuchte seine Brüder, die Gäste mit allen bescheidenen Vorräten zu bewirten, die das Kloster aufzubringen vermochte. Nachdem auch Raol, Jaufré und Castellvell eingetroffen waren, versammelten sich die Verschwörer im
refectorium
zur Beratung.
    Ermengarda war außer sich, als sie von Felipes Kerkerhaft erfuhr. Menerba versicherte ihr, dass er und seine hundert Männer sich an der Einnahme der Stadt beteiligen würden, und nicht nur, um Felipe zu befreien.
    »Ich war lange blind«, sagte er. »Manchmal bedarf es des eigenen Sohnes, um einem die Augen zu öffnen. Jetzt weiß ich, wem meine Treue gehört. Wir werden

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