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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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trat sie zurück in die Mitte.
    Senher
Guillem Ramon de Castellvell stellte sich in Pose.
    »Männer«, rief er. »Heute kämpfen wir für die junge
Comtessa
hier an unserer Seite. Sie fürchtet sich nicht, euch in den Kampf zu begleiten. Sie vertraut euch, eure Pflicht zu tun, wie ich auch. Legt euch also ins Zeug, ihr Hurensöhne, und macht mir keine Schande. Hurra für Ermengarda!«
    »Ermengarda«, brüllten sie begeistert, dass es laut durch den Wald schallte, und wollten gar nicht aufhören, bis der
capitan
sie wieder zum Schweigen brachte. Danach sprach der Prior ein kurzes Gebet und segnete ihre Waffen. Nun war es endlich so weit. Arnauts Truppe würde als erste ausrücken, die anderen später folgen.
    »Keine Sorge, Neffe«, sagte Raol. »Ihr seid gut vorbereitet. Vor allem habt ihr die Überraschung auf eurer Seite.« Raol war kein Mann für große Worte. Er packte kurz Arnauts Schulter, grinste ihm aufmunternd zu und trat zurück. »
Dieu vos gard.
Gott schütze euch.«
    Jaufré dagegen umarmte seinen Enkel überschwenglich, ebenso wie Ermengarda. Er half ihr, den Helmriemen festzuziehen, dann saß man auf.
    Roderic gab das Zeichen zum Aufbruch, und die Kolonne setzte sich in Bewegung. Als Arnaut sich noch einmal umsah, erkannte er Bruder Aimar, der etwas abseitsstand und ihnen als Letzter zuwinkte.
    ***
    In der Abenddämmerung erreichten sie den Fluss und fanden zu Arnauts Erleichterung die Boote an verabredeter Stelle. Vom gegenüberliegenden Ufer winkte Jori, der sie führen sollte, wie am Tag von Ermengardas Flucht. So weit verlief alles wie geplant.
    In den späten Nachmittagsstunden waren sie vom Kloster über Hügel und Tal und durch unberührte Wälder geritten, hatten die fruchtbare Ebene erreicht, die Via Domitia gekreuzt und waren schließlich bei letztem Licht des Tages und ohne Zwischenfall hierher bis ans Ufer der Aude gelangt. Bauern, Hirten und anderes Volk, denen sie unterwegs begegnet waren, hatten offensichtlich nichts dabei gefunden, einer Truppe von Tolosaner Reitern die Straße zu räumen.
    Vier flache Lastkähne hatte Raimon an der Uferböschung verstecken lassen, die Bootsführer waren Leibeigene von den flussnahen Besitzungen seiner Familie. Die machten große Augen, als die kleine Streitmacht von den Pferden stieg und begann, sich auf die Kähne zu verteilen. Ein halbes Dutzend Mönche hatte die Truppe begleitet und würde sich mit den Pferden in einem nahen Wäldchen verstecken, bis man bei erfolgreichem Ausgang nach ihnen senden würde. Es war beruhigend, die Tiere in der Nähe zu wissen, falls der Anschlag misslingen würde. Aus gleichem Grund würden auch die Boote in Stellung bleiben. Aber an Fehlschlag wollte niemand denken.
    Zur Tarnung zogen sie sich jetzt weite, kapuzenbesetzte Umhänge über Rüstung und Schilde, die im Kloster in aller Eile genäht worden waren und sie wie Mönche erscheinen ließen. Wandernde Klosterbrüder waren mit Sicherheit weniger verdächtig als schwerbewaffnete Ritter, die sich zu später Abendstunde der Stadt näherten.
    Als es endlich Nacht geworden war, setzten sie über. Jori, der sie in Empfang nahm, war aufgeregt, denn er war sich seiner eigenen Bedeutung als Führer bewusst.
    »Was gibt es Neues?«, fragte Arnaut.
    »Der Erzbischof ist krank. In der Kathedrale beten sie von frühmorgens bis in die Nacht.«
    »Wird er sterben?«
    Jori zuckte mit den Achseln. »Wer weiß. Ansonsten ist alles ruhig in der Stadt«, war seine Antwort. »Aber ihr seid so wenige.«
    Arnaut lachte. »Keine Sorge. Es kommen mehr. Nur auf anderen Wegen.«
    Und so marschierten sie in der Dunkelheit über die Felder. Es schien noch kein Mond, und bei dem verhangenen Himmel sah man kaum eine Hand vor Augen. Jori jedoch kannte den Weg und zögerte nicht ein einziges Mal, bis sie endlich nach Stunden die Ruine der alten römischen Arena erreichten. Hier wollten sie sich verstecken, bis es Zeit war.
    »Wie kann man so etwas nur tragen?«, fragte Ermengarda und deutete auf das Kettenhemd unter ihrem Umhang. Ihre Stimme klang erschöpft. Das Gewicht hatte ihr zu schaffen gemacht.
    »Man gewöhnt sich daran«, grinste Severin und bot ihr seine Wasserflasche an.
    Wie seltsam, dachte sie, dass sie zum Ort ihrer ersten Zuflucht zurückgefunden hatten. So viel war seitdem geschehen. Dass jemand aus ihrer eigenen Familie sie umbringen wollte, das war von allen Prüfungen das Schlimmste, der größte Verrat, den man sich nur vorstellen konnte. Aber so wankelmütig die

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