Die Comtessa
göttliche
fortuna
auch war, nun hatte sie ihr eine glückliche Wende beschert. Sie war zurück und dies nicht allein, sondern mit einer Truppe harter Krieger unter ihrem Befehl. Der Gedanke an Rache hatte sie beflügelt, Raols Plan zuzustimmen.
Und gleichzeitig war ihr, als befände sie sich in einem Strom, der sie unaufhaltsam mit sich fortriss. Sie hatte in allem das letzte Sagen, fühlte sich aber unfähig, die ganze Tragweite zu erkennen oder Einzelheiten zu bestimmen. Soldaten gingen für sie in den Kampf, doch was wusste sie schon von kriegerischen Dingen? Schickte sie die Männer in den Tod? Und was war zu tun, wenn der Überfall tatsächlich gelang? Würde dies den Krieg beenden oder nur noch stärker anfachen? Was musste sie dann als Nächstes tun? Überhaupt, wie war zu herrschen? Ihr war, als ob sie im Nebel auf einem schmalen Grat wandelte. Ein falscher Schritt, und der Abgrund würde sie verschlingen. Wem sollte sie trauen, an wem konnte sie sich festhalten?
In der Dunkelheit spürte sie Arnaut neben sich, mehr als sie ihn sehen konnte. Er saß gegen einen Quader gelehnt, und sie konnte kaum merklich seinen ruhigen Atem vernehmen. Seine Gegenwart besänftigte ihr klopfendes Herz und verlieh ihr Stärke.
Aber er beunruhigte sie auch, machte sie schwach. Ein Leben ohne ihn war nur noch schwer vorstellbar, obwohl sie in ihrer Stellung nicht frei war, sich solchen Gefühlen hinzugeben. So etwas wie der Vorfall mit Felipe durfte sich nicht wiederholen.
Dass sie Arnaut tief verletzt hatte, spürte sie. Seit ihrer kurzen Aussprache in Fontfreda hatten sie kaum ein Wort miteinander gewechselt, und es schmerzte sie, dass jedes Mal, wenn er sie ansah, seine Miene verschlossen blieb. Wie sehr sie sich nach der Wärme seines Körpers sehnte. Wenn er doch wenigstens ihre Hand halten würde. Dabei hätte sie sich ihm am liebsten in die Arme geworfen, um alles um sich herum zu vergessen.
»Ich will zu den Aussätzigen«, sagte sie, nachdem sie sich eine Weile ausgeruht hatten, und erhob sich.
»Jetzt, in der Nacht?«
»Da ist etwas zu klären.«
Arnaut gab den Männern Bescheid, dann wanderten sie vorsichtig über die verwitterten Stufen der Arena, zwängten sich zwischen Sträuchern und Büschen hindurch bis zu den Bretterbuden, die nicht weit von ihrem Versteck lagen. Aus dem Innern der Haupthütte drang gedämpftes Licht durch die Ritzen. Ermengarda rief leise nach Maria. Drinnen erhob sich Stimmengemurmel, das Sacktuch vor dem Eingang wurde zurückgezogen, und ein Schatten zeichnete sich vor dem schwachen Schein des glimmenden Herdfeuers ab.
»Ich bin es, Ermengarda.«
Die Gestalt trat näher. »Seid Ihr es wirklich, Herrin?«
»Wie geht es dir, Maria?«
»Wie soll es mir schon gehen? Gott hält mich am Leben.« Sie zuckte mit den Schultern. »Und Ihr,
Domina?
Was, um Himmels willen, tut Ihr hier zu dieser Stunde? Ich habe täglich für Euch gebetet. Wie ist es Euch ergangen?«
»Ich bin gekommen, um mein Erbe anzutreten.«
»
Oh, mon Dieu.
Aber es herrscht doch der Fürst von Tolosa in der Stadt.«
»Nicht mehr lange, Maria. Wenn Gott will, ist Narbona morgen mein. Und wenn nicht, dann bin ich tot. Bete für mich und meine Ritter, Maria, auf dass wir siegen. Und vor allem, dass es ohne viel Blutvergießen gelingt.«
Die Frau bekreuzigte sich und blickte ängstlich um sich, als fürchte sie die Gegenwart der Panzerreiter.
»Ich muss dich etwas fragen, Maria. Man hat dich damals aus dem Palast gejagt, weil du von geheimen Dingen wusstest. Was waren das für Dinge? Du sollst es mir sagen, denn es ist wichtig für mich.«
Marias Schatten bewegte sich, als ob sie mit sich ränge, inwieweit sie sich öffnen durfte. »Es betrifft
Domna
Ermessenda«, sagte sie schließlich.
»Das habe ich erwartet. Sprich mit mir.«
»Sie und
Vescoms
de Menerba.«
»Dass er ihr Geliebter war, darüber durfte man nicht reden, aber ein Geheimnis war es nicht gerade.«
»Es geht weiter zurück, als Ihr denkt, Herrin. Sie haben Euren Vater schon betrogen, als er noch lebte. Fast von Anfang an. Ich war oft die Überbringerin ihrer geheimen Botschaften. Manchmal denke ich, Gott hat mich dafür bestraft.
Perdona me, Domina, perdona me!
« Sie schlug die Hände vors Gesicht.
Ehebruch. Hinter dem Rücken ihres Vaters. Und Maria die Komplizin. Es schien Ermengarda, als habe sie in den letzten Monaten eine Lehre nach der anderen in menschlichen Abgründen durchmachen müssen. Dass es so viel Niedertracht in der Welt gab. Sie
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