Die Comtessa
gewartet.«
Arnaut sah Ermengardas Augen im Schein der Fackeln wie im Fieber funkeln. Ihr Gesicht war wutverzerrt, als sie vorsprang, das Schwert in beiden Händen gepackt, und weit ausholte.
»Tu es nicht!«, rief er scharf. »Tu es nicht!«
»Misch dich nicht ein«, schrie sie. Aber das Schwert über ihrem Kopf zögerte.
»Willst du ihretwegen zur Mörderin werden?«
»Sie hat meinen Tod befohlen.«
Tränen des Zorns rannen Ermengarda über die Wangen. Sie senkte die Waffe, aber nur, um sie vorzustrecken, so dass die Spitze sich la Belas ungeschützter Kehle näherte.
»Alles wollte sie an sich reißen. Meinen Vater hat sie betrogen und meinen Bruder ermordet.«
Schon berührte der Stahl die weiße Haut der Stiefmutter. La Bela zuckte zurück, aber nur ein wenig.
»Das weißt du nicht«, sagte Arnaut.
»Mir genügt schon, was ich weiß.«
»Willst du deine Herrschaft mit Mord und Unrecht beginnen?«
Sie atmete heftig, warf ihm einen wilden Blick zu. Aber das Schwert schien einen eigenen Willen zu besitzen, denn langsam senkte sich die Spitze.
Diesen Augenblick, als alle gebannt auf Ermengarda starrten, wählte Alfons, um aus dem Bett zu springen. Nackt, wie er war, riss er eine Nebentür zur Ankleidekammer auf und machte sich davon, ehe ihn jemand hindern konnte.
»Putan«,
schrie Arnaut und rannte hinterher, um zu verhindern, dass der Graf seine Leibwache erreichte.
Vor ihm tastete sich Alfons durch die dunkle Kammer, stieß sich irgendwo den Fuß, fluchte laut, riss eine andere Tür auf und floh den Gang hinunter. Als Arnaut folgte, sah er ihn eine Stiege nehmen, die ins Stockwerk darunter führte. Das Innere des Palastes war dem Grafen offensichtlich vertraut.
Arnaut versuchte, ihn einzuholen. Fast wäre er dabei die Treppe hinabgestürzt. Unten angekommen, sah er den Flüchtenden eine mit geschnitzten Verzierungen bedeckte Doppeltür aufstoßen und dahinter verschwinden.
Als er ihm mit dem Schwert in der Hand folgte, fand er sich zu seiner Überraschung in einer Kapelle wieder. Eine wuchtige Wachskerze brannte auf dem Altar unter einem mächtigen, vergoldeten Holzkreuz. Alfons riss es von der Wand und hielt es sich schützend vor den Leib.
»Wenn nicht sie, dann willst du wohl mich töten«, brüllte er. »Wagst du es, diesen … Frevel in einer Kirche zu begehen, vor Gottes Angesicht?«
Er hielt das Kreuz hoch, als wollte er damit auf Arnaut losgehen. Der starrte ihn nur an. Vor ihm stand der mächtige Fürst von Tolosa, heftig atmend und nackt wie am Tag seiner Geburt. Arnaut ließ sein Schwert in die Scheide gleiten und schüttelte den Kopf.
»Töten will ich Euch nicht,
Mossenher,
darauf habt Ihr mein Wort. Aber mein Gefangener seid Ihr dennoch. Ergebt Euch, und es wird Euch nichts geschehen.«
Alfons sah ihn misstrauisch an, aber die Ernsthaftigkeit in Arnauts Augen schien ihn schließlich zu beruhigen. Er ließ das Kreuz sinken und lehnte es fast ehrfürchtig gegen die Wand. Dann richtete er sich auf und stand erhobenen Hauptes da. Die dichte, dunkle Behaarung auf seiner Brust hob sich scharf vom Weiß der Haut ab. Seine Nacktheit schien ihn wenig zu bekümmern. Arnaut sah, dass er am Schienbein blutete.
»Wenn ich schon Euer … Gefangener bin, dann sagt mir wenigstens, wie Ihr heißt«, sagte Alfons.
Arnaut nahm Helm und Kettenhaube ab.
»Mein Name ist Arnaut de Montalban. Ihr müsstet mich eigentlich kennen,
Mossenher.
«
Der Graf trat einen Schritt vor, um ihn im Schein der Kerze genauer zu betrachten. »Seid Ihr nicht der junge Mann, der bei mir dienen wollte und den ich fortgeschickt habe?«
»Der bin ich.«
Alfons hob erstaunt die Brauen. Dann lächelte er etwas schief und zuckte mit den Schultern. »Ziemlich dumm von mir, was?«, sagte er und lachte.
Arnaut griff nach dem Altartuch und reichte es ihm, um seine Blöße zu bedecken. Dann traten sie beide auf den Gang.
Als zwei Katalanen, die gefolgt waren, Alfons erblickten, riefen sie mit lauter Stimme, dass der Graf gefangen sei. Der Ruf pflanzte sich durch den ganzen Palast fort, bis hinunter zu den überlebenden Tolosaner Leibwachen, die immer noch Seite an Seite mit der Palastwache gegen Roderics Katalanen kämpften.
Da zögerten sie zuerst, zogen sich dann aber langsam zurück. Und als es hieß, dass auch die
vescomtessa
gefangen war, senkten sie die Waffen.
Die Last auf jungen Schultern
D ie Glocke vom Turm der Kathedrale war kaum vernehmbar. Nur ein schwacher, heller Ton, wie aus weiter Ferne, denn nur wenig
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