Die Comtessa
Ansprüche zu stellen hatte. Er atmete tief durch und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.
»Ich, für meinen Teil, werde mich nicht länger beugen«, sagte er wieder ruhiger. »Wir schulden es Aimerics Andenken, Ermessenda. Er hätte sich nie mit Alfons’ Machtgelüsten zufriedengegeben. Vergiss nicht, auch ich habe Mittel. Meine Männer stehen schon unter Waffen. Und wenn notwendig, gibt es Krieg.«
Ermessenda spürte immer noch das Blut im Hals pochen. Einen eifersüchtigen Menerba, der versuchen würde, ihr einen Strich durch die Rechnung zu machen, konnte sie überhaupt nicht gebrauchen.
»Gar nichts wirst du tun!«, zischte sie.
»Ich werde nach Carcassona reiten und alle mitnehmen, die genug vom Gestank der Tolosaner haben!«
»Das wirst du nicht tun, sage ich dir.«
»Es wird endlich Zeit, Aimerics Erbe zu verteidigen.«
»Und gerade du sagst das?« Sie standen sich immer noch Auge in Auge gegenüber. Sie zwang sich, die Stimme zu senken, denn ihre Worte waren nicht für fremde Ohren bestimmt. »Du siehst dich gern als der geachtete
vescoms
de Menerba, der starke Mann der Grafschaft, auf den man in den Versammlungen hört, nicht wahr? Und immer hältst du Aimerics Banner hoch, als lebte er noch und als seiest du nach wie vor sein erster Vasall. Warum eigentlich? Drückt dich die Schuld? Was würden sie sagen, wenn sie wüssten, dass du ihn mit seinem Weib betrogen hast, eh? Dass es Zeiten gab, da du nichts mehr als seinen Tod gewünscht hast? Muss ich noch mehr sagen?«
Er wich einen Schritt zurück. »Nicht!«, flüsterte er.
Mit hängenden Schultern sah er zu Boden wie ein geprügelter Hund. So standen sie sich gegenüber. Sie hoch aufgerichtet und triumphierend. Er mit geschlossenen Augen, bleich und stumm.
Nach einer Weile blickte er wieder auf. »Wenn du mich nur heiraten würdest, Ermessenda, dann würde sich niemand mehr das Maul zerreißen. Und zusammen könnten wir Alfons die Stirn bieten.«
Er näherte sich ihr und zog sie rauh an sich. Sie ließ es zu, dass er sie küsste, denn sein Begehren verlieh ihr Macht über ihn. So war es schon immer gewesen. Er würde tun, was sie von ihm verlangte.
Doch dann, die heftige Umarmung, der Geschmack seiner Lippen, der Kuss, den sie ungewollt erwiderte, die Erinnerung … all das ließ sie nicht unberührt, es weckte ein Feuer tief im Inneren, das sich über ihren Leib ausbreitete und ihre Haut zum Glühen brachte. Darüber erschrak sie und stieß ihn von sich.
»Das genügt, Peire!« Ihre Stimme war seltsam belegt, und es dauerte, bis sie sich wieder in der Gewalt hatte. »Ich habe es dir oft genug gesagt. Dein braves Weibchen werde ich nie sein. Such dir eine einfältige und gefügige Gans dafür, nicht mich.«
Sie entfernte sich von ihm, trat ans Fenster und sprach mit dem Rücken zu ihm gewandt: »Du schuldest mir Treue, wie du es mir als deiner Lehnsherrin geschworen hast. Und deshalb wirst du dich ruhig halten, weil ich es so will.«
Fast körperlich konnte sie seinen Zorn hinter sich spüren, den ärgerlichen Widerspruch auf den Lippen. Aber er beherrschte sich.
»Da ich dir bei deinen weiteren Vorhaben nur im Wege bin«, sagte er fast tonlos, mit erzwungener Ruhe, »werde ich mich auf meine Güter zurückziehen. Schick einen Boten, wenn du mich brauchst.«
»Gut«, antwortete sie und fügte fast beiläufig hinzu: »Und sag deinem Sohn, er schwänzelt mir zu viel um Ermengarda herum.« Sie drehte sich um und grinste ihn mit boshaftem Schalk in den Augen an. »Einen aus der Familie der Menerbas zu ertragen, das reicht mir schon.«
Er überging diesen mageren Versuch eines versöhnlichen Scherzes, nickte nur mit steinerner Miene und verließ schweigend den Raum.
Ermessenda la Bela blieb zurück, mit dem Rücken gegen den Rahmen des Fensters gelehnt. Das Lächeln starb auf ihren Lippen, und eine bittere Leere breitete sich in ihr aus.
Der Sohn des Statthalters
E
mantenent?
Was machen wir jetzt?«
Severin war wütend und mit Recht.
Arnaut ließ den Kopf hängen. Einen der Hauptleute des Grafen vor aller Augen zum Zweikampf herauszufordern! Wie konnte man nur eine solche Dummheit begehen? Hatte er mal wieder seinen Mut beweisen müssen?
Ein ihm durchaus bewusster Fehler war sein aufbrausendes Wesen. Oft genug hatte seine Mutter ihn ermahnt, sein heißes Blut im Zaum zu halten und lieber dreimal nachzudenken, bevor er sich zu einer leichtsinnigen Tat hinreißen lasse. Ich will nicht, dass du wie dein Vater endest, hatte sie ihm
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