Die Comtessa
Narbona. Müsste aber alles vertraglich geregelt werden. Ja, zuerst das. Und dann würde sie ihre anderen Pläne weiterverfolgen.
Seit dem Tod ihres Gemahls hatte sie über Narbona geherrscht, und so würde es bleiben,
per Dieu!
So schnell gab sie das Heft nicht aus der Hand.
Domna
Anhes, die führende Hofdame der Vizegräfin, steckte den Kopf zur Tür herein. »Ein Besucher,
Domina.
«
La Bela sprang auf. »Danke, Anhes. Aber warte noch …«
Sie hatte auf diesen Besuch gehofft und fühlte sich dennoch überrumpelt. Wie konnte sie ihn in diesem Gemütszustand empfangen?
Sie sah zu den Kindern hinüber. Da war er wieder, Ermengardas forschender Blick, als verstünde sie genau, was in ihr vorging. Ermessenda holte tief Luft und griff nach dem Spiegel. Auf eine Kopfbedeckung hatte sie bewusst verzichtet. Allein ein dünner Goldreif zierte ihr Haupt und brachte das feurige Haar zum Leuchten, das ihr wie ein Wasserfall über den Rücken fiel. Ein paar Löckchen zupfte sie noch aus der Stirn. Gott sei Dank. Alles in allem sah sie blendend aus.
»Führ ihn herein, Anhes«, sagte sie mit wiederhergestelltem Selbstvertrauen. Und ihren Töchtern befahl sie, sich zurückzuziehen. »Geht, Kinder! Die Sache ist vertraulich.«
Nina zog ein Gesicht, begann aber, der Schwester zu helfen, das Stickzeug in einer Truhe zu verwahren.
»Nun beeilt euch!« Ermessenda winkte die beiden mit einer ungeduldigen Handbewegung durch die Seitentür, die in die privaten Gemächer führte. Dann schritt sie bis in die Mitte des Raumes und atmete tief durch, um sich einen Augenblick zu sammeln. Endlich war Graf Alfons zurückgekehrt. Seit Wochen schon hatte sie ihn mit wachsender Ungeduld erwartet. Angeblich hatten ihn wichtige Angelegenheiten in Tolosa festgehalten, nicht zuletzt die Trauerfeierlichkeiten um seine kürzlich verstorbene Gemahlin Faidiva. Mit dem unerwarteten Hinscheiden dieser Dame hatten sich ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Doch sie würde behutsam vorgehen müssen, um den edlen Hirsch nicht zu verprellen.
Als es an der Tür klopfte, trat sie erwartungsvoll einen Schritt vor und bemühte sich um ein gewinnendes Lächeln, welches jedoch erfror, als sie sah, wer im Türrahmen stand.
»Ach, du bist es«, sagte sie.
***
Domna
Anhes führte den Besucher herein, obwohl dieser sich hier bestens auskannte. Den Wein, den sie ihm anbot, lehnte er dankend ab.
Domna
Anhes verbeugte sich kurz, zog sich dann still zurück und schloss die Tür hinter sich. Ermessenda würde jetzt keine Störung dulden.
»Hast du jemand anderes erwartet? Deine Enttäuschung war kaum zu überhören«, sagte
Vescoms
Peire de Menerba mit einem bitteren Zug um den Mund. »Es gab Zeiten, da hast du mich anders begrüßt.«
Auch mit über vierzig Jahren war er eine äußerst stattliche Erscheinung, die ihre Wirkung auf sie selten verfehlte, wie Ermessenda sich eingestehen musste. Etwas über mittelgroß, dunkelhaarig, mit ersten grauen Strähnen in Bart und Haar, aber dem gestählten Leib eines Mannes, der täglichen Umgang mit Waffen und Pferden pflegte. Dabei vermittelte er keineswegs den Eindruck eines rohen Kriegsmannes, denn er gab sich meist höflich zurückhaltend, und in den klugen Augen zeigte sich sein unaufdringliches und feinfühliges Wesen.
Sie zog es vor, die Bemerkung zu überhören, ließ sich stattdessen mit würdevoller Langsamkeit auf ihren Sitz nieder, bemüht um den Faltenwurf ihres Gewandes, hauptsächlich jedoch, um seinem prüfenden Blick auszuweichen.
»Nun setz dich schon«, sagte sie, und als er ihr gegenüber Platz genommen hatte: »Also? Was willst du?«
Menerba musterte sie aufmerksam.
»Du hast selten besser ausgesehen.«
»Du bist doch wohl nicht gekommen, um mir das zu sagen.«
»Warum nicht?« Ein kaum merkliches Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen. »Ist es nicht eine Ehre, einer schönen Frau zu huldigen?«
»Lass das, Peire. Die Dinge haben sich zwischen uns geändert, und du weißt das.«
»Ich bin also immer noch verbannt.«
»Keineswegs. Deinen Rat und starken Arm weiß ich stets zu schätzen«, antwortete sie kühl. »Daran hat sich nichts geändert.«
Seine dunklen Augen hielten die ihren gefangen. Es lag kein Vorwurf in ihnen, das hätte sie nur gereizt. Doch die wehmütige Niedergeschlagenheit, die jetzt aus ihnen sprach, berührte sie wider Willen, so dass sie am Ende den Blick abwenden musste. Warum, bei Gott, starrte er sie mit diesen Hundeaugen an, halb bettelnd, halb fordernd, an
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