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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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wieder ein aufgeregtes Gemurmel, das sich erst beruhigte, als die Männer sich entfernten.
    Die
vescomtessa
atmete tief durch und wandte sich erneut mit verführerischem Lächeln ihrem Gast zu, der ihr nach höfischer Art den Arm bot. Sie buhlt um ihn, durchfuhr es Ermengarda plötzlich. Und dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Natürlich! Alfons war jetzt Witwer und wahrscheinlich der begehrteste Junggeselle im ganzen Süden. Will sie etwa
Comtessa
von Tolosa werden?
    Es fröstelte Ermengarda, als sie plötzlich den kalten, prüfenden Blick wahrnahm, mit dem der schwarze Tibaut sie bedachte. Ein Raubvogelblick. Hatte er ihre Gedanken erraten? Sie versuchte, die Beklemmung abzuschütteln, die dieser Mann ihr einflößte, und verließ rasch den Saal. Sie würde in Ruhe über all diese neuen Gegebenheiten nachdenken müssen und was sie bedeuten mochten.
    ***
    »Wir müssen weichen, mein Freund«, verkündete Felipe mit einem Achselzucken. Ein Bediensteter hatte ihnen zu verstehen gegeben, dass aufgrund der anstehenden Versammlung in der
aula
kein weiterer Kampfeslärm erwünscht sei. »Kommt, ich lade Euch zu einem Becher Wein ein. Drüben in lo Borc kenne ich eine ruhige Schenke.«
    An einem Pferdetrog kühlten sie sich die heißen Gesichter. Flüchtig dachte Arnaut an Severin, der gewiss auf ihn wartete. Auch der junge Giraud hatte sich vor einer Weile davongemacht. Arnaut hätte gern den Panzer und das verschwitzte
gambais
abgelegt, aber die Gelegenheit, die Bekanntschaft mit diesem Felipe zu vertiefen, wollte er sich nicht entgehen lassen.
    Die Schenke Zum Silbernen Fisch,
Al Peis d’Argent,
zu der Felipe ihn führte, befand sich in einer Seitengasse nicht weit vom Fluss entfernt. Abends sei es hier voll von Fischern, erklärte der junge Fürstensohn, aber jetzt am frühen Nachmittag würden sie ungestört bleiben.
    »Seid Ihr schon lange mit Giraud befreundet?« Sie ließen sich in einer stillen Ecke der Schenke nieder.
    »Schon immer eigentlich. Meine Familie besitzt ein Haus in der Stadt, und ich glaube, ich habe dort mehr Zeit verbracht als in Menerba. Girauds Leute halten einen Wehrturm an der Südmauer, und die Sicherung des Haupttors der Via Domitia liegt in ihrer Obhut. Gelegentlich hat er daher in Bereitschaft zu stehen. Keine schwere Bürde, denn seit kurzem bestehen die Tolosaner darauf, alle Ausfalltore selbst zu bewachen.«
    Arnaut sah sich um. Die Schenke war nicht viel besser als die dreckige Spelunke am Fluss, in der Severin und er abgestiegen waren. Unverputzte Wände, uralte, rauchgeschwärzte Balken, die die Decke kaum zu tragen schienen, rauhe Bänke an aufgebockten, weißgescheuerten Tafeln. In einem halbherzigen Versuch, den düsteren Raum zu verschönern, hing über dem Tresen ein ausgebreiteter Fetzen Fischernetz, davor ein rostiger Anker und ein Dreizack.
    Zu seinem Erstaunen begrüßte der Wirt Felipe zwar unterwürfig, aber mit einer gewissen Vertrautheit, scheuchte gleich die Schankmagd fort und bestand darauf, sie selbst zu bedienen. Offensichtlich war Felipes Anwesenheit keine Seltenheit. Der junge Fürstensohn schenkte dem Getue des Wirts keine Beachtung, bestellte Wein und eingelegte Oliven und wandte sich wieder Arnaut zu.
    »Giraud und ich«, sagte er, »gehören zu einer losen Gruppe, die sich regelmäßig trifft. Alles gesellige Kerle und gute Freunde. Ich will Euch gern einführen, wenn Ihr wollt. Wir gehen auf die Jagd oder lassen unsere Pferde gegeneinander laufen. Manchmal stellen wir zum Vergnügen einfach nur dummes Zeug an.« Er grinste vielsagend, und Arnaut fragte sich, wie viele Bauern oder deren Töchter dabei wohl zu Schaden kamen, denn übermütige
Vergnügungen
junger Edelleute waren landein, landaus eine Plage.
    »Ihr trefft Euch hier?«
    »Nicht die feinste Weinstube, was?«, lächelte Felipe verlegen. »Wir haben in dieser Spelunke schon manche wilde Nacht durchzecht, denn hier ist man unter sich. Nicht jedes ungezügelte Wort wird gleich unseren edlen Vätern zugetragen. Die gegenwärtige Lage erhitzt die Gemüter, und wir Jungen würden manches anders angehen, wenn wir nur könnten.«
    »Es ist etwas verwirrend«, sagte Arnaut. »Alfons Jordan, die
vescomtessa
und der Erzbischof … wer hat denn nun das Sagen in der Stadt?«
    »Da habt Ihr den Finger auf die Wunde gelegt. Narbona ist seit jeher ein Zankapfel. Das meiste Land weit und breit untersteht der Vizegrafschaft ebenso wie die hohe Gerichtsbarkeit. Aber seit alters her hält das Erzbistum

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