Die Comtessa
Fürstenrechte an der halben Stadt und kassiert die Seezölle. Es gibt Urkunden von Carolus Magnus, die das verbriefen. Und da die Kirchenprinzen im Streit mit den Vizegrafen schon oft um ihre Vorrechte fürchten mussten, sind sie seit langem mit Tolosa verbündet.«
Der Wirt brachte das Gewünschte, goss ihnen ein und zog sich schweigend und katzbuckelnd zurück. War die Zurückhaltung und Verschwiegenheit des Wirts der Grund, warum Felipe sie hierhergeführt hatte? Irgendetwas sagte Arnaut, dass man ihn nicht ohne Hintergedanken in diese Schenke geladen hatte. Sie hoben die Becher und kosteten von dem Wein, der erstaunlich gut mundete.
»Es kann nicht einfach sein, zwei Herren zu dienen.«
»Manchmal meint man, es zerreißt die Stadt«, nickte Felipe. »Besonders in diesen Tagen. Da liegen Adelshäuser im Streit, wenn ihnen Einigkeit wahrlich besser anstünde. Schlimmer noch, der Bruch geht gar durch manche Familie.« Er zog die Mundwinkel herunter. »Selbstverständlich geht es immer um Geld. Streit um Warenzölle, Übergriffe durch Steuereintreiber, es wird um Zuständigkeiten bei Gericht und Bußgelder gerangelt. Und seit die Tolosaner hier ihr Gewicht herumwerfen, ist es noch schlimmer geworden. Es ist wahrlich ermüdend. Diese Stadt hat Besseres verdient.«
»Was ist Alfons’ Anliegen? Will er schlichten?«
»Schlichten?« Felipe lachte bitter. »Nein. Er nutzt die gegenwärtige Schwäche, um seine Macht über den ganzen Süden des Landes auszuweiten. Mit Narbona in seiner Gewalt kann er den Einfluss der Katalanen in der Region zurückdrängen. Und der Erzbischof, wie immer, steckt mit ihm unter einer Decke.«
»Aber ist Alfons nicht Herzog von Narbona.«
»Ein fadenscheiniger Anspruch, der dem Licht der Sonne nicht standhält. Früher hielt er sich noch zurück. Da führte er Krieg in der Provence und konnte sich keine zweite Front erlauben, denn unser verstorbener
Vescoms
Aimeric hatte ja seine katalanische Verwandtschaft im Rücken.«
»Ich muss zugeben, die Sache gestern …« Arnaut hielt inne, denn er wollte nichts Unbedachtes sagen, immerhin war Felipe der Sohn des Statthalters.
»Eine wahre Schande das, sag ich!«, zischte sein Gegenüber. »Es wird Zeit, dem Tolosaner die Tür zu weisen.«
»Ihr seid also nicht auf Alfons’ Seite?«
»Um Gottes willen, wie könnte ich? Der Mann will die Stadt doch nur melken, um seine kriegerischen Abenteuer zu bestreiten. Wir wollen unser eigenes Schicksal bestimmen.«
»Aber irgendeinen Herrn muss die Stadt ja haben. Ob der Erzbischof, Alfons oder die
vescomtessa,
was macht das schon aus?«
Felipe lachte erneut bitter auf. »Ja, das sagen die Alten. So ist es immer gewesen, heißt es. Aber so muss es nicht bleiben,
putan.
«
»Die Stadt muss aber doch regiert werden.«
»Heutzutage gibt es Städte, die sich selbst regieren.«
»Sich selbst regieren?«
Arnaut machte große Augen. Davon hatte er noch nicht gehört. Jeder hatte einen Herrn, oder etwa nicht? Auch wenn man nicht immer tat, was dieser gerne sähe – Rocafort war in dieser Beziehung stets ziemlich unabhängig geblieben –, aber schlussendlich musste man sich mit seinem Lehnsherrn irgendwie einigen. Das war die Ordnung der Welt.
Felipe starrte ihn einen Augenblick wie abwesend aus zusammengekniffenen Lidern an. Doch dann glättete sich sein Gesicht, und er lachte, schien seine gute Laune wiedergefunden zu haben.
»Ach, ich gebe mal wieder wirres Zeug von mir«, grinste er. »Aufrührerisches Geschwätz, wie mein Vater sagt, und es treibt ihn zur Weißglut. Reden wir lieber von Euch.«
Auf Felipes gezielte Fragen hin erzählte Arnaut von seiner Familie, seiner Heimat und der Hoffnung, sich im Dienste eines großen Herrn einen Namen machen zu können. Umso enttäuschender, dass er am Morgen die Gelegenheit verspielt hatte, der Ritterschaft des Grafen beizutreten.
»Mir geht schon mal der Gaul durch«, murrte er verlegen. »Ich könnte mich selber treten, denn heimkehren wollen wir auf keinen Fall, Severin und ich. Andererseits, der Vorfall gestern …« Er zögerte. »In unehrenhafte Dienste treten, das möchte ich auch nicht.«
»Das höre ich gern.« Felipe musterte ihn mit erneuter Aufmerksamkeit. »Vielleicht gibt es da eine Möglichkeit … Aber was rede ich? Zuerst sollten wir Freundschaft schließen. Schließlich sind wir fast im gleichen Alter.« Er hob seinen Becher. »Lassen wir also die Förmlichkeiten, mein lieber Arnaut.«
Darauf sie stießen an.
Unter
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