Die Comtessa
Röte in die Wangen stieg.
Felipe, der das bemerkt hatte, bedachte ihn mit einem belustigten Blick, und Arnaut, der sonst nicht um Worte verlegen war, stellte unbeholfen seinen Schildträger vor. Dabei ärgerte er sich über die eigene Tölpelhaftigkeit, aber verflucht noch mal, schließlich traf man nicht jeden Tag eine Fürstentochter. Auch der arme Severin war derart eingeschüchtert, dass er kein Wort hervorbrachte.
»Ihr seid aus der Corbieras, wie ich höre«, ließ sich Ermengarda freundlich vernehmen und bedachte sie mit einem wohlwollenden Lächeln.
Arnaut nickte. »So ist es,
Domina.
«
Sie lachte unsicher. »Nennt mich nicht so,
Cavalier,
denn das bin ich nicht.«
»Noch nicht!«, beeilte sich Felipe hinzuzufügen.
Darauf ging sie nicht weiter ein, sondern erzählte Felipe lang und breit, dass Abd Allah, der Falkner, nicht hatte erlauben wollen, ihren Liebling zu fliegen. Arnaut bemerkte eine unbekümmerte Vertrautheit zwischen den beiden, als würden sie sich schon lange kennen.
»Das Tier ist noch zu jung,
Domna
Ermengarda«, klagte Abd Allah, ein älterer, hagerer Maure, »und nicht vollständig abgerichtet.«
Sie schenkte dem Falkner ein hinreißendes Lächeln, nicht ohne ein Fünkchen Triumph in den Augen darüber, dass sie sich durchgesetzt hatte.
Arnaut konnte nicht anders, als sie anzustarren. Sie hatte ein schlankes, ovales Gesicht mit feinen Linien, eine makellos helle Haut, und die dunklen Brauen und Wimpern bildeten einen lebhaften Gegensatz zu den klaren Augen. Ihr dunkelbraunes, fast schwarzes Haar trug sie zu einem langen Zopf geflochten über den Rücken, und die frische Morgenluft hatte Lippen und Wangen gerötet. Als sie sein Gaffen bemerkte, runzelte sie die Stirn, und ihm wurde bewusst, wie unhöflich er war. Beschämt senkte er den Blick.
»Ich sehe, du hast eine Eroberung gemacht, Ermengarda«, spöttelte Felipe. Aber die Fürstentochter hatte sich schon umgewandt und den Jäger angewiesen, die Führung zu übernehmen. Neben ihm und dem Mauren, der nach wie vor ein unglückliches Gesicht machte, gehörten noch zwei Bewaffnete zu Ermengardas Gefolge. Langsam setzte sich die Jagdgruppe in Bewegung, und auch Arnaut und Severin folgten in respektvollem Abstand.
Links vor ihnen lag die weite Bucht mit den vorgelagerten Sandstränden, wo sie gestern den Ausblick aufs Meer genossen hatten. Rechter Hand, gen Westen, erhoben sich am Horizont die ersten Hügel der Corbieras. Von dort waren sie erst vor wenigen Tagen gekommen. Dabei war inzwischen so viel geschehen, dass es Arnaut schwindelte. Nicht zu denken, dass er sich mit dem Sohn des Statthalters angefreundet hatte und vielleicht schon bald zum Gefolge dieser jungen Fürstentochter gehören würde, ihre Zustimmung vorausgesetzt. Seine gestrigen Zweifel waren wie weggewischt.
»Und? Was hältst du von ihr?«, fragte er Severin und fügte scheinheilig hinzu: »Sollen wir Felipes Angebot annehmen, oder kehren wir lieber heim?«
»Machst du Witze?« Severin warf ihm einen entrüsteten Blick zu. »Wir bleiben natürlich!«
Arnaut grinste zufrieden.
Nun verließen sie die Via Domitia, und in schnellem Trab ging es über die Felder in Richtung eines fernen Wäldchens. Arnaut wunderte sich, dass man achtlos durch die frisch bestellten Äcker ritt, in denen schon der Winterweizen ausgesät war. Selbst Gemüsebeete zu zertrampeln schien niemanden zu stören. Zu Hause hätte sein Onkel ihnen dafür die Ohren langgezogen.
Der Vogel auf Ermengardas Faust hatte sich an die Bewegungen des Pferdes gewöhnt. Ein wirklich schöner Falke, graublau wie Schiefer auf dem Rücken, die Kehle weiß und der Bauch dunkel quergebändert auf hellem Grund. Die geduckte Haltung auf dem Handschuh, der durchdringende Blick in die Runde und sein halb geöffneter, gebogener Schnabel verliehen ihm eine Wildheit, als könne er es nicht abwarten, sich auf die nächstbeste Beute zu stürzen.
Fast hatten sie das Wäldchen erreicht, als plötzlich eine Handvoll Tauben mit lautem Flügelschlag aus einem Baum stob. Der Falke hatte sie gleich erspäht und versuchte aufzufliegen, allein die Fußfesseln hielten ihn zurück. Ermengarda zügelte sofort ihre Stute. Sie schien noch aufgeregter als der Falke und nestelte an den Lederriemchen. Abd Allah hob die Arme und rief ihr zu, noch zu warten, aber es war zu spät.
Unter dem Klingeln der Fußschellen schwang sich der Raubvogel in die Lüfte und nahm die Verfolgung auf, während er gleichzeitig möglichst schnell an
Weitere Kostenlose Bücher