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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Höhe zu gewinnen suchte. Immer höher zog er sich, während die Tauben auf den nahen Wald zuhielten. Dann ging der Räuber in einen rasenden Sturzflug über und näherte sich seinen Opfern mit unglaublicher Geschwindigkeit.
    Zwei der Tauben änderten unerwartet die Richtung, drei weitere hatten schon fast den rettenden Wald erreicht, nur die letzte bemühte sich verzweifelt, aufzuschließen. Wie ein Pfeil schoss der Falke aus der Höhe auf seine Beute zu. Gleich würde die Taube ihr Leben aushauchen. Doch dann, fast im Augenblick des Aufpralls, änderte sie ihre Flugrichtung, so dass der Falke an ihr vorbeischoss und sie knapp verfehlte. Sofort flog er einen Kreis, um einen neuen Angriff zu starten, aber die Taube war längst im Wald verschwunden.
    Ermengarda machte ein so enttäuschtes Gesicht, als hätte sie selbst die Beute verfehlt.
    »Seid ihm nicht gram, Herrin«, sagte der Maure. »Die Umstände waren ungünstig.«
    »Ganz allein meine Schuld«, erwiderte sie ernst.
    »Nun weißt du, dass sich Ungeduld nicht auszahlt«, lachte der Sarazene. »Aber Allah hat uns die Jugend geschenkt, um zu lernen, nicht wahr?«
    Arnaut war über den formlosen Tonfall erstaunt, den sich der Mann mit der Fürstentochter erlaubte. Aber sie störte sich nicht daran, war eher um den Falken besorgt. Der war inzwischen wieder aufgestiegen und flog ziellos umher, als ob er nach neuer Beute Ausschau halte. Aber dann schien er die Lust verloren zu haben und ließ sich im Geäst ebenjenes Baumes nieder, von dem zuvor die Tauben vertrieben worden waren. Dort saß er unbeweglich und starrte hochmütig auf die Jäger herab.
    Ermengarda führte ihre Stute näher an den Baum heran, entnahm einer Tasche am Sattelknauf ein Bröckchen rotes Fleisch und legte es auf den Handschuh. Aber sooft sie auch den Leckerbissen darbot oder ihn mit Koseworten lockte, der Falke rührte sich nicht.
    »Es ist, wie ich dachte«, sagte Abd Allah, der Ermengardas vergebliche Mühen beobachtete. »Es fehlt ihm noch an Vertrauen.«
    »Was meinst du damit?«, fragte Arnaut.
    »Ein Greifvogel ist nicht wie ein Hund oder eine Katze,
Senher.
Er liebt seinen Herrn nicht. Allein das bequeme Futter bindet ihn an den Halter. Aber nur, wenn er lernt, seine angeborene Angst dem Menschen gegenüber zu überwinden. Und das braucht Geduld und Zeit.«
    Abd Allah stieg vom Pferd und näherte sich langsam dem Baum. Er ließ sich die Tasche mit Lockfutter reichen und bedeutete Ermengarda, sich zurückzuziehen. Doch auch seine Bemühungen halfen wenig. Erst als er mit großer Vorsicht auf den Baum kletterte, fraß der Falke von dem angebotenen Fleisch und ließ sich endlich dazu bewegen, seinen Platz auf dem Handschuh einzunehmen. Der Maure fesselte ihm die Füße und kletterte vom Baum, was mit dem Vogel auf der Faust keine ganz leichte Sache war.
    »Du hattest recht, Abd Allah, ich hätte dich nicht überreden sollen«, stellte Ermengarda fest. »Wir müssen ihn also noch länger abrichten. Fangen wir gleich morgen damit an.« Sie blickte mit einem entschuldigenden Lächeln in die Runde. »Damit ist die Jagd für heute wohl beendet.«
    Arnaut hätte Zorn, Launen oder Schuldzuweisungen erwartet. Dass sie die Angelegenheit so gleichmütig nahm, überraschte ihn.
    »Na, wie hat dir die Falkenjagd gefallen, Arnaut?«, fragte Felipe, als Abd Allah sich wieder in den Sattel gezogen hatte. »Auch wenn sie heute nicht lange gedauert hat.«
    »Ich würde es gern selbst erlernen«, erwiderte Arnaut. »Aber ist es denn nötig, dabei so die Felder zu verwüsten?« Er deutete auf die vielen tiefen Spuren, die die Pferde in dem frisch besäten Acker hinterlassen hatten.
    »Auf seinem Land reitet der Herr, wo es ihm beliebt«, ließ sich keck der Jäger vernehmen, und die Kriegsknechte lachten dazu. Das aber wollte Arnaut nicht auf sich sitzenlassen, besonders nicht von einem leibeigenen Esel wie dem Jäger.
    »Das ist wahr«, erwiderte er kalt, »aber ein kluger Herr weiß sein Landvolk zu schützen und seinen Besitz zu mehren, anstatt auf der Saat herumzutrampeln.«
    Es trat eine peinliche Stille ein, während der Felipe ihn erstaunt anstarrte und Arnaut sich wünschte, er hätte seinen vorlauten Mund gehalten, besonders als er Ermengardas nachdenklichen Blick auf sich ruhen spürte.
    »
Cavalier
Arnaut hat völlig recht«, sagte sie zu seiner großen Überraschung. »Auf dem Rückweg nehmen wir gefälligst die Feldwege. Dazu sind sie ja da.«
    Sie bedachte Arnaut mit einem Lächeln, das ihm

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