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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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»Bisher habe ich geschwiegen, denn es ist immer gut, so etwas in der Hand zu haben, wohl wissend, eines Tages wird es von Nutzen sein. Nun ist dieser Tag gekommen.«
    Und dann hatte er ihr schonungslos Einzelheiten genannt, von denen sie glaubte, dass niemand, außer Tibaut, etwas wissen könne. Da war sie weiß wie der erste Schnee geworden, und es war, als hätte eine eiskalte Hand nach ihrem Herzen gegriffen.
    »Du hast keine Beweise«, hatte sie mit erstickter Stimme gehaucht.
    »Ich habe genug, um alles ans Licht der Welt zu zerren, um dich für immer zu beschmutzen und zu vernichten. Wem, denkst du, wird man mehr glauben, einem Mann Gottes oder einer schamlosen Hure, die nicht aufhört, das Andenken ihres verstorbenen Mannes mit Füßen zu treten?«
    Die Hochzeit sollte noch am gleichen Tag verkündet werden, hatte er verlangt, und die Vorbereitungen waren unverzüglich zu beginnen. Dann, als wollte er ihr die bittere Arznei versüßen, hatte er von Regentschaft auf Lebenszeit geredet, die Alfons ihr gewähren könnte, wenn sie sich denn einsichtig zeige.
    »Einmal verheiratet, wird die kleine Erbin nach Tolosa übersiedeln, und du wirst in Alfons’ Namen hier weiter das Zepter schwingen. Sei zufrieden damit.«
    »Was weiß er von diesen Dingen?«
    »Noch nichts, mein Täubchen. Und er wird es auch nicht erfahren, solange du dich fügst.« Dann hatte er boshaft gelächelt und war, sicher seines Sieges, ohne Gruß gegangen.
    La Bela irrte immer noch heftig atmend umher.
    »
Fornicator
selbst und Knabenficker«, fluchte sie vor sich hin. Doch nach einer Weile beruhigte sie sich. Besser, ihre Gefühle im Zaum zu halten. Sie musste nachdenken.
    Vor Dianas Statue blieb sie stehen. »Was würdest du tun?«, flüsterte sie. »Was würdest du an meiner Stelle tun?«
    Lange starrte sie auf die Göttin, bis sie auf einmal eine innere Stimme vernahm, die ihr sagte, dass der hinterlistige Pfaffe vielleicht schon viel zu lange auf dieser Erde weilte. Sie erschrak über solche Gedanken, neue Furcht bemächtigte sich ihrer. Und dennoch. Etwas musste geschehen. Sie würde mit Tibaut darüber sprechen. Er wüsste Rat. Doch sieben Tage ließ ihnen wenig Zeit, und vorerst hatte sie keine andere Wahl, als nach der Pfeife des verfluchten Priesters zu tanzen.
    Sie holte tief Luft und läutete. Einer jungen Magd, die eintrat, trug sie auf: »Lauf und bring mir auf der Stelle Ermengarda her. Ich will sie allein sprechen und gefälligst nicht gestört werden.«
    Sie ließ sich auf dem reichgeschnitzten, hohen Lehnstuhl nieder, den schon Aimeric benutzt hatte, um Vasallen oder Bittsteller zu empfangen. Er verlieh dem Sitzenden das rechte Maß an Abstand und Würde. Für das bevorstehende Gespräch gewiss von Vorteil.
    Nicht, dass sie die geringsten Schwierigkeiten erwartete, schließlich war es die Pflicht jeder Adelstochter, durch eine gewinnbringende Eheschließung dem Vorteil ihrer
familia
zu dienen. Auch ihre Stieftochter war in diesem Geiste erzogen worden, so wie alle jungen
donzelas
aus gutem Hause. Auch wenn la Bela sie nicht lieben konnte, ein umgängliches Kind war die Kleine immer gewesen. Zweifellos das Erbe ihrer anspruchslosen Mutter, die Aimeric immer und in allem zu Willen gewesen war. Ermengarda würde sich fügen, daran hegte sie keinen Zweifel.
    Und dann begann sie an all die vielen Dinge zu denken, die zur Vorbereitung einer fürstlichen Hochzeit notwendig waren. Herolde würden die Kunde noch heute in der Stadt ausrufen lassen. Zuvor sollte sie jedoch den Stadtadel und die Konsuln benachrichtigen. Gleich nach ihrem Gespräch mit Ermengarda würde sie
Domna
Anhes rufen lassen, sie zu beauftragen, sich um Kleider und Festgelage zu kümmern.
    »Du hast mich gerufen, Mutter?«
    Ermengarda war eingetreten, gefolgt von Nina, die neugierige Augen machte.
    »Nina, komm und gib deiner Mutter einen Kuss.« Und nachdem dies geschehen war, schickte sie das Kind aus dem Zimmer. »Lass uns jetzt allein, mein Herz. Ich habe etwas mit deiner Schwester zu besprechen.«
    »Ich will es auch hören.«
    »Du wirst es früh genug erfahren. Geh jetzt.«
    Nina zog ein Gesicht, verließ jedoch gehorsam den Raum, so dass la Bela endlich allein mit ihrer Stieftochter war.
    Diese schien den Ernst des Anlasses zu spüren, denn sie setzte sich nicht, sondern blieb steif und in einigem Abstand vor ihr stehen, wobei ihre Arme linkisch herabbaumelten, als wüsste sie nichts Rechtes mit ihnen anzufangen. La Bela betrachtete sie aufmerksam.

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