Die Comtessa
geschehen?«, rief er, Schwert in der Faust, wild um sich blickend.
»Du kommst zu spät, Bruder«, grinste Arnaut, um einen gleichmütigen Ton bemüht. In Wahrheit musste er die Hände in den Schwertgürtel stecken, so sehr zitterten sie. Beim Anblick der blutenden Hirnmasse des gefallenen Bogenschützen hätte er sich fast übergeben.
Auch Felipe starrte betroffen auf die Gefallenen.
»Mein Gott, du hast sie getötet«, sagte er erschrocken und bedachte Arnaut mit einem seltsamen Blick. »Wer waren die?«
»Wegelagerer, Gesetzlose, was weiß ich?«, antwortete Arnaut gereizt.
Aus der Ferne hörten sie Severin rufen.
»Ich habe ihnen aufgetragen, zu warten«, sagte Felipe.
Arnaut nahm das Horn und gab das Signal, dass keine Gefahr mehr bestand.
»Schnell, hilf mir. Das muss die
domina
nicht sehen«, sagte er.
Felipe sprang vom Pferd, und vereint zerrten sie die Kadaver hinter die Büsche. Jetzt war, außer ein paar Blutspritzern auf dem zertrampelten Gras, nichts mehr vom Kampf zu sehen.
»Herrgott noch mal!«, fluchte Arnaut wütend, als er sich die Hände am Gras säuberte.
Nie zuvor hatte er einen Menschen verletzt, geschweige denn getötet. Nun waren es schon vier, wenn er den
soudadier
beim Kloster mitzählte, den er verwundet hatte. »Warum geschieht das immer mir?«, rief er aufgebracht. »Ab jetzt reitest du voran,
putan merda!
«
Da räusperte sich jemand hinter ihnen.
»
Escusa me, Mossenher Cavalier!
Macht Euch, um Himmels willen, keine Vorwürfe, denn ich glaube, sie waren kurz davor, mir die Kehle durchzuschneiden. Ich kann Euch nicht genug für Euer beherztes Eingreifen danken.«
Und so lernten sie Peire Rogier kennen.
Der Mann war jung, wenn auch ein wenig älter als die beiden Ritter, fast so dunkelhäutig wie ein Maure, trug eine kräftige Nase im Gesicht, die nach der Rauferei etwas angeschlagen wirkte, und er hatte eine angenehme, sonore Stimme. Da man ihm das Hemd vom Leib gerissen hatte, war es kaum zu übersehen, wie schrecklich abgemagert er war. Arnaut bückte sich und hob seine Tunika auf, die die Räuber in ihrer hastigen Flucht zurückgelassen hatten, und reichte sie ihm.
Rogier wischte sich das Blut von der Lippe und zog sich wortlos die Tunika über. Auch seine Stiefel fand er wieder. Arnaut wunderte sich, dass sie ihm nicht von den Füßen fielen, so zerschlissen sahen sie aus. Als Rogier die Blicke der beiden spürte, grinste er verlegen.
»Weiß der Teufel, warum die mich überfallen haben. Bei mir ist rein gar nichts zu holen.«
Er sah sich um, was ihm von seiner kümmerlichen Habe geblieben sein mochte. Plötzlich schrie er auf, als stieße man ihm einen Dolch in die Seite.
»
Bon Dieu, non!
Meine Laute, verflucht!« Er lief ein paar Schritte und hob die Reste eines zerbrochenen Saiteninstruments aus dem Gras. »Oh, diese Bastarde! Von allem das Einzige, das etwas wert war.«
Er drehte sich zu ihnen um, und Arnaut war über die Tränen erstaunt, die dem Kerl die Wangen herabliefen. Er trauerte um seine Laute wie um eine verflossene Liebe. In diesem Augenblick erreichten Severin und die anderen die Lichtung. Ermengarda sah sich um, forschte ängstlich in ihren Gesichtern.
»Was ist geschehen?«
»Räuber«, sagte Felipe. »Arnaut hat sie vertrieben.«
»Wer ist dieser Mann, und warum weint er?«
»Ich nenne mich Peire Rogier«, sagte der Genannte und wischte sich mit dem Ärmel über die Wange. »Ich wurde überfallen, und dieser tapfere Ritter hat mich errettet. Leider wurde dabei meine geliebte Laute zerstört.« Er hielt die Reste hoch und machte ein klägliches Gesicht.
»Was gibt’s da zu flennen?«, knurrte Severin. »Sei froh, du bist am Leben. Und Lauten gibt es genug.«
»Nicht so ein Meisterstück wie diese. Ein unersetzlicher Verlust für einen
joglar.
«
»Du bist Spielmann?«, fragte Ermengarda neugierig.
Anstatt zu antworten, hob er zu singen an:
Pus nostre temps comens’a brunezir,
e li verjan son de lor fuelhas blos,
e del solelh vey tant bayssatz los rays,
per que’l jorn son escur e tenebros,
et hom non au d’auzelhs ni chans ni lays,
per joy d’amor nos devem esbaudir.
Da nun die dunkle Jahreszeit beginnt,
wenn Blatt um Blatt vom Zweige fällt,
der Sonne Schein so niedrig steht,
dass die Tage grau und düster werden,
und kein Vogellied mehr erklingt,
da sollen wir uns der Liebe erfreuen.
Ermengardas Augen leuchteten, während sie verzückt lauschte. Die wehmütige Melodie und die rauchige Stimme des Sängers
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