Die Corleones
vermeide es, wann immer es möglich ist. Aber ich bin ein Mann – und für meine Familie tue ich alles. Für meine Familie, Santino!« Vito betrachtete das Glas Strega auf dem Schreibtisch, als überlegte er, noch einen Schluck zu trinken, und wandte sich dann wieder seinem Sohn zu. »Es gibt eine Frage, die ich dir stellen möchte, und ich erwarte eine klare Antwort. Als du Tom vor all den Jahren zu uns nach Hause mitgenommen hast, als du ihn vor mir auf den Boden gestellt hast, da wusstest du, dass ich ihn zum Waisen gemacht hatte, und du wolltest mir vor Augen führen, dass ich Schuld auf mich geladen hatte. Habe ich recht?«
»Nein, Pa.« Sonny hob die Hand, als wollte er seinen Vater berühren, ließ sie aber gleich wieder sinken. »Ich war noch ein Kind. Natürlich sind mir alle möglichen Sachen durch den Kopf gegangen, nachdem ich das gesehen hatte, aber … ich weiß nur noch, dass ich wollte, dass du dich der Sache annimmst. Dass du dich um ihn kümmerst.«
»Das war alles?«, fragte Vito. »Du wolltest, dass ich mich um ihn kümmere?«
»An mehr kann ich mich nicht erinnern«, sagte Sonny. »Das ist lange her.«
Vito musterte seinen Sohn eingehend. Dann legte er ihm die Hand aufs Knie. »Tom darf davon niemals etwas erfahren. Niemals.«
»Ich gebe dir mein Wort.« Sonny umfasste die Hand seines Vaters. »Dieses Geheimnis werde ich mit mir ins Grab nehmen.«
Vito tätschelte ihm die Hand und schob dann seinen Stuhl zurück. »Hör mir gut zu, Santino. Wenn du in diesem Geschäft nicht lernst, dich zu beherrschen, landest du früher unter der Erde, als du denkst.«
»Das verstehe ich, Pa. Ich werde es lernen. Wirklich!«
»Ich sage es noch einmal: Das ist nicht, was ich mir für dich gewünscht habe.« Er faltete die Hände vor der Brust, als wollteer ein Gebet sprechen. »Auf legale Weise lässt sich mehr Geld verdienen und größere Macht erlangen. Und du musst auch nicht andauernd um dein Leben fürchten. Als ich ein kleiner Junge war, sind Männer gekommen und haben meinen Vater umgebracht. Als mein Bruder Rache schwor, haben sie ihn ebenfalls ermordet. Als meine Mutter um mein Leben flehte, haben sie auch sie getötet. Und dann haben sie Jagd auf mich gemacht. Ich bin nach Amerika geflohen und habe mich hier niedergelassen. Aber in diesem Geschäft gibt es immer irgendjemand, der dich umbringen will. Dem bin ich also nie entkommen …« Als er Sonnys bestürzte Miene sah, fuhr Vito fort: »Nein, das habe ich dir nie erzählt. Warum auch? Ich hatte gehofft, dass es mir gelingen würde, das von dir fernzuhalten.« Er sah seinen Sohn lange an.
Als hätte er die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, dass Sonny seine Meinung ändern könnte, sagte er: »Das ist nicht das Leben, das ich für dich wollte, Santino.«
»Pa«, erwiderte Sonny, den Wünschen seines Vaters gegenüber taub, »in mir hast du jemand, dem du immer vertrauen kannst. Ich werde deine rechte Hand sein.«
Vito atmete tief durch und schüttelte dann kaum merklich den Kopf, als würde er endlich aufgeben, wenn auch widerwillig. »Mit dir als rechter Hand«, sagte er und schob seinen Stuhl beiseite, »machst du deine Mutter zur Witwe und dich zum Waisen.« Sonny schien über die Worte seines Vaters nachzudenken, als verstünde er nicht, was sie bedeuteten. Bevor er etwas erwidern konnte, trat Vito hinter den Schreibtisch. »Clemenza wird dir alles Nötige beibringen. Du fängst ganz unten an, wie alle anderen auch.«
»Okay, Pa. Klar.« Sonny versuchte ganz offensichtlich, seine Begeisterung zu verbergen und professionell zu klingen, was ihm jedoch nicht gelang.
Vito runzelte darüber nur die Stirn. »Was ist mit Michael und Fredo?«, fragte er, »und mit Tom? Halten die mich auch alle für einen Gangster?«
»Tom weiß über das Glücksspiel und die Gewerkschaften Bescheid«,erwiderte Sonny. »Wie du gesagt hast – das ist kein Geheimnis.«
»Das war nicht das, was ich gefragt habe.« Vito zupfte an seinem Ohrläppchen. »Du musst lernen, mir zuzuhören! Ich habe dich gefragt, ob er mich für einen Gangster hält.«
»Pa, ich weiß, dass du nicht so bist wie Mariposa. Das hab ich nicht gemeint. Ich weiß, dass du nicht so ein verrückter Kerl bist wie Al Capone.«
Vito nickte – zumindest dafür war er dankbar. »Und was ist mit Fredo und Michael?«
»Nee«, sagte Sonny. »Die Kleinen himmeln dich an. Die wissen von nichts.«
»Aber das wird sich ändern. Wie bei dir und Tom.« Vito setzte sich hinter den Schreibtisch.
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