Die Corleones
gefolgt von einem heftigen Windstoß. Die Jalousien machten einen Heidenlärm, und die weißen Vorhänge wurden emporgeweht. Eileen knallte das Fenster zu, setzte sich auf und strich Sonny die Haare aus der Stirn. »Was hast du denn geträumt?«, fragte sie. »Du hast gestöhnt und dich hin- und hergeworfen.«
Sonny schob sich ein zweites Kissen unter den Kopf und mühte sich, den Traum abzuschütteln. Dann lachte er und erwiderte: »Von Tarzan, dem Affenmenschen. Hab ich letzten Samstag im Rialto gesehen.«
Eileen schlüpfte neben ihm unter die ausgebleichte grüne Bettdecke. In der Hand hielt sie ein silbernes Feuerzeug und eine Schachtel Wings. Sie reckte den Hals und schaute zum Fenster hinaus. Ein plötzlicher Regenguss prasselte gegen die Scheibe underfüllte das Zimmer mit dem Rauschen von Wind und Wasser. »Das ist nett«, sagte sie, klopfte zwei Zigaretten aus der Schachtel und reichte eine davon Sonny.
Sonny nahm ihr das Feuerzeug aus der Hand und betrachtete es. Er musste erst ein bisschen damit herumspielen, bevor er begriff, wie es funktionierte. Dann nahm er es zwischen Daumen und Zeigefinger und drückte; der Deckel sprang auf, und eine blaue Flamme schoss empor. Er gab Eileen Feuer und zündete seine eigene Zigarette an.
Eileen griff nach einem Aschenbecher auf dem Nachttisch und stellte ihn auf die Decke oberhalb ihrer Knie. »Und wer warst du in dem Traum? Johnny Weissmuller?«
Der Traum war in Sonnys Erinnerung schon fast verblasst. »Ich glaube, ich war irgendwo im Dschungel.«
»Zusammen mit Maureen O’Sullivan, jede Wette. Das ist wirklich eine echte irische Schönheit, findest du nicht auch?«
Sonny sog tief den Rauch ein und wartete einen Moment, bevor er antwortete. Ihm gefiel der goldbraune Glanz von Eileens Augen, sie sahen aus, als würden sie von innen heraus leuchten; dabei bildeten sie einen deutlichen Kontrast zu ihrer hellen Haut und zu ihrem Haar, das ihr ins Gesicht fiel und sie wie ein junges Mädchen aussehen ließ. »Ich finde, du bist eine echte irische Schönheit«, sagte er schließlich. Unter der Decke griff er nach ihrer Hand.
Eileen lachte. »Du bist mir so ein Casanova, Sonny Corleone.«
Sonny ließ ihre Hand los und setzte sich auf.
»Hab ich was Falsches gesagt?«
»Nee. Ich werd nur nicht gern als Casanova bezeichnet.«
»Warum denn?« Eileen griff wieder nach seiner Hand und hielt sie fest. »Ich hab das nicht böse gemeint.«
»Ich weiß …« Sonny brauchte einen Augenblick, um sich zu sammeln. »Mein Vater hält mich für einen
sciupafemmine
, einen Playboy. Glaub mir, das ist kein Kompliment.«
»Ach, Sonny …« Eileen klang nicht so, als wollte sie Sonnys Vater widersprechen.
»Ich bin noch jung«, sagte Sonny. »Wir sind hier in Amerika, nicht in irgendeinem Dorf auf Sizilien.«
»Wohl wahr«, erwiderte Eileen. »Sind nicht alle Italiener große Herzensbrecher?«
»Wieso das? Wegen Rudy Valentino?« Sonny drückte seine Zigarette aus. »Frauen nachzustellen gilt unter Italienern nicht als mannhaft, sondern eher als Zeichen von Charakterschwäche.«
»Und dein Vater ist der Meinung, du hättest einen schwachen Charakter?«
»Jesus Maria.« Sonny warf verzweifelt die Hände in die Höhe. »Ich hab keine Ahnung, was mein Vater von mir denkt. Ich weiß nur, dass ich ihm nichts recht machen kann. Er behandelt mich wie einen
giamope
, er und Clemenza.«
»
Giamope
?«
»Einen Trottel.«
»Nur weil du Frauen hinterherläufst?«
»Davon sind sie auch nicht eben begeistert.«
»Und macht es dir was aus, Sonny?« Eileen legte ihm die Hand auf den Oberschenkel. »Ist es für dich wichtig, was dein Vater denkt?«
»Herrgott, natürlich. Natürlich ist mir das wichtig.«
Eileen rutschte ein Stück von ihm weg, hob ein Unterkleid vom Boden auf und zog es sich über den Kopf. »Tut mir leid …«, sagte sie, ohne ihn anzuschauen. Dann schwieg sie eine Weile, und außer dem Prasseln des Regens war nichts zu hören. »Ach, Sonny«, fuhr sie schließlich fort, »dein Vater ist ein Gangster, hab ich recht?«
Sonny zuckte nur mit den Achseln. Er schwang die Beine über den Bettrand und suchte nach seiner Unterwäsche.
»Was muss man tun, um die Anerkennung eines Gangsters zu gewinnen?«, fragte Eileen, und plötzlich klang sie fast ein wenig wütend. »Jemand umbringen?«
»Schadet bestimmt nicht, wenn’s der Richtige ist.«
»Gütiger Himmel!« Eileen klang äußerst aufgebracht. Doch dann lachte sie wieder, als wäre ihr eingefallen, dass sie das
Weitere Kostenlose Bücher