Die Corleones
aufzusehen, »wenn du mit dem Gejammer nicht aufhörst, steht dir eine ordentliche Tracht Prügel bevor.« Eigentlich hatte die Ermahnung nicht so schroff klingen sollen, aber sie war ihr einfach rausgerutscht.
»Ich jammere nicht!«, erwiderte Caitlin. »Meine Aufkleber wollen nicht kleben, und so kann ich nicht mit ihnen spielen!«
Eileen drückte die Pfanne unter das heiße Seifenwasser und ließ sie einweichen. Sie schloss einen Moment lang die Augen, bis sich ihre Wut etwas gelegt hatte, und drehte sich dann zu ihrer Tochter um. »Caitlin«, sagte sie so liebenswürdig, wie sie es vermochte, »warum gehst du nicht nach unten und spielst mit deinen Freunden?«
»Ich hab keine Freunde«, sagte Caitlin. Ihre Unterlippe zitterte, und sie hatte Tränen in den Augen. Das gelbe Sommerkleid, das sie vor einer Stunde angezogen hatte, war schon wieder schweißdurchtränkt.
»Natürlich hast du Freunde.« Eileen trocknete die Hände an dem roten Geschirrtuch ab und schenkte ihrer Tochter ein Lächeln.
»Nein, hab ich nicht.« Caitlin konnte die Tränen nicht länger zurückhalten, und sie rannen ihr über die Wangen, während sie laut anfing zu schluchzen. Außer sich vor Kummer vergrub sie das Gesicht in den Armen.
Eileen sah ihre Tochter an, empfand seltsamerweise jedoch kaum Mitgefühl mit ihr. Sie wusste, dass sie zu ihr gehen und sie trösten sollte. Stattdessen ließ sie Caitlin weinend am Tisch sitzen, ging ins Schlafzimmer und ließ sich auf das ungemachte Bett fallen. Mit ausgebreiteten Armen starrte sie zur Decke hinauf. Hier war es noch heißer als in der Küche, aber wenigstens konnte sie Caitlins Weinen kaum mehr hören. So lag sie eine ganze Weile wie benommen da, und ihr Blick schweifte schließlich zur Kommode, wo ein Bild von Bobby neben dem von Jimmy stand, so dass sie die beiden Männer jeden Abend vor dem Einschlafen sehen konnte und jeden Morgen, wenn sie aufwachte.
Irgendwann kam Caitlin, die Boo hinter sich herschleifte, hereingetapst. Sie hatte aufgehört zu weinen und kletterte zu Eileen aufs Bett.
Eileen strich ihrer Tochter übers Haar und küsste sie sanft auf den Kopf. Caitlin schmiegte sich an sie und legte ihr den Arm über den Bauch. In der Wohnung herrschte Grabesstille, und die Hitze wollte kein Ende nehmen.
Inmitten des großen Gartens, der von prachtvollen Steinmauern umgeben war, hatten sich etwa zwanzig Männer und Frauen untergehakt und tanzten im Kreis. Auf einer aus Holz gezimmerten Bühne sang Johnny Fontane, begleitet von Nino Valenti auf der Mandoline und einem kleinen Orchester im weißen Frack, »Luna Mezzo Mare«. Vito schaute von einem niedrigen Podest aus zu, das am Rand des Gartens in der Nähe der Mauer errichtet worden war. Es bedeckte eine kahle Stelle, wo er erfolglos versucht hatte, Feigenbäume anzupflanzen, und wo er im Frühjahr einen kleinen Garten anlegen wollte. Er war vom Tisch der Braut hier herübergeschlendert, um von der lauten Musik wegzukommen. Außerdem wollte er den Blick über die Feiernden schweifen lassen und mit seinen Gedanken wenigstens vorübergehend alleine sein. Tessio und Clemenza waren ihm jedoch fast sofort gefolgt und schwatzten unentwegt. Jetzt klatschten sie auch noch in die Hände und wippten mit den Füßen, ein breites Grinsen aufdem Gesicht, sogar Tessio. Auf dem Podest waren die geliehenen Stühle und alles andere untergebracht, was sie für die Hochzeit brauchten. Vito nahm sich einen Stuhl, der an der Mauer lehnte, setzte sich und betrachtete die Gäste.
Es war heiß, über dreißig Grad, und alle schwitzten, Vito eingeschlossen. Er öffnete den obersten Knopf seines Hemdes und lockerte seine Krawatte. Alle seine Geschäftspartner waren gekommen, jeder, der von Bedeutung war. Sie saßen mit seiner Familie, seinen Freunden und seinen Nachbarn im Garten zusammen. Die meisten hatten die ihnen zugeteilten Plätze schon vor Stunden verlassen, und jetzt saßen die Barzinis, Emilio und Ettore, am selben Tisch wie die Rosato-Brüder und ihre Frauen. Ganz in der Nähe hatten sich ein paar von Tessios Leuten niedergelassen, Eddie Veltri und Ken Cuisimano, aber auch Tomasino Cinquemani und JoJo DiGiorgio, einer von Lucas Jungs. Sogar der schwerfällige Mikey DiMeo aus New Jersey war gekommen, zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern. Alle lachten und klatschten im Takt der Musik in die Hände, unterhielten sich oder riefen einander aufmunternde Worte zu. Unter den Tänzern hatte sich Ottilio Cuneo auf der einen Seite bei
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