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Die Creeds: Wo die Hoffnung lebt

Die Creeds: Wo die Hoffnung lebt

Titel: Die Creeds: Wo die Hoffnung lebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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gut.“
    Carolyn stellte sich vor, wie ihr Freund in einem kleinenFlugzeug über einem Waldbrand schwebte, feuerhemmende Mittel in die Flammen sprühte, die wie gigantische orangerote Finger in den rauchverhangenen Himmel griffen, und sie hatte Angst um ihn. Die Worte „Flieg nicht“ lagen ihr auf der Zunge, und ihre Augen brannten.
    Bill sah ihren Gesichtsausdruck, lächelte traurig, nahm sie sanft bei den Schultern und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Denk positiv“, sagte er rau zum Abschied, dann drehte er sich um, ging hinaus und schloss die Tür hinter sich.
    Erst ein paar Sekunden nachdem er fort war, konnte Carolyn sich wieder rühren.
    Wenn sie doch die Macht – oder das Recht – hätte, ihn zurückzurufen, ihn zu zwingen, in Lonesome Bend zu bleiben, wo er in Sicherheit wäre.
    Aber war irgendwer jemals irgendwo in Sicherheit?
    Die Antwort lautete leider nein.
    Bills Flugzeug konnte abstürzen, konnte mitten im Herz eines höllischen Waldbrands niedergehen, er konnte Ellie als Waise hinterlassen und Angela – die liebe, wohlmeinende Angela – im Zustand endloser Trauer. Genauso gut konnten ihn aber ein Herzinfarkt oder eine tödliche Krankheit hinstrecken oder ein Raser beim Überqueren eines Zebrastreifens.
    Niemand kam für immer mit dem Leben davon, niemand hatte die Garantie, dass es ein Morgen für ihn gab und danach noch ein Morgen.
    Das Leben ist gefährlich. Man stelle sich nur vor, was Brodys Frau Lisa und ihrem kleinen Sohn zugestoßen war.
    Und wenn man durch die Liebe zu einem Menschen sein Herz bloßlegte? Tja, das war das größte, tödlichste Risiko von allen.
    Carolyns Knie wurden weich, sie tastete sich rückwärts zur Treppe und ließ sich auf eine Stufe sinken, stützte einen Ellbogen aufs Knie und legte das Kinn in die Hand.
    Winston näherte sich, schnurrte und schmiegte sich an ihreHüfte, bot entweder Trost an oder suchte ihn – oder beides.
    Wie betäubt streichelte Carolyn mit der freien Hand seinen glänzenden Rücken.
    Sie hatte von vornherein recht gehabt – es war gefährlich, einen Menschen zu lieben oder ein Haustier, ja selbst ein Haus oder eine Stadt oder einen Beruf. Alles konnte sich mit dem Verreißen des Lenkrads verändern – oder mit einem Anruf oder einem Polizisten, der an die Haustür klopfte.
    Aber welche Alternative hatte ein Mensch denn?
    Konnte man sich entscheiden, nicht zu lieben?
    Man konnte es natürlich versuchen und damit vielleicht in gewissem Maße sogar Erfolg haben.
    Aber dann könnte man sich genauso gut eine Grabstätte und einen Grabstein kaufen, überlegte Carolyn, und sich im Gras ausstrecken, um auf den Tod zu warten, während andere weiter durchs Leben marschierten, lachten und weinten, liebten und hassten, Sieg und Niederlage erfuhren und alles, was dazwischenlag.
    Sie konnte sich vielleicht einreden, in Sicherheit zu sein, aber sie würde auch die Party versäumen.
    „Du bist heute ja ziemlich munter“, bemerkte Davis mit einem Augenzwinkern, als er, Conner und Brody hinausfuhren, um die defekten Zäune zu reparieren, die Brody am Vortag beim Abreiten entdeckt hatte. „Gestern ging’s dir nicht so gut.“
    Brody antwortete nicht gleich, war sich des Werts dieses Moments aber deutlich bewusst. Conner saß mit Valentino und Barney, neuen Drahtrollen und der Werkzeugkiste auf der Ladefläche des Pick-ups, während Brody mit Davis als Beifahrer den Wagen fuhr.
    Sie arbeiteten zusammen, er und sein Bruder und sein Onkel, so wie es sich gehörte.
    Ein Teil von Brody wünschte sich zurück ins Bett mit Carolyn.Pech, dass ein Mann nicht gleichzeitig an zwei Orten sein konnte.
    „Das war gestern“, erwiderte er schließlich, „und heute ist heute.“
    Davis blickte auf die Frontscheibe, während sie über unebenen Boden holperten und schaukelten, aber Brody wusste, dass er ihn aus dem Augenwinkel beobachtete. „Wir alle haben eine ganze Reihe von ‚gestern‘ angesammelt, bevor du dich durchgerungen hast, mir von Lisa und Justin zu erzählen. Warum, Brody?“
    Brody hob eine Schulter und senkte sie wieder. Er sah Davis nicht an, sondern blickte nach vorn auf das mit Vieh übersäte Ranchgelände, das schon für Generationen von Creeds eine Heimat gewesen war. Einige Zweige des Familienstammbaums trugen gute Früchte – solide, ehrliche Männer und Frauen, darauf bedacht, das Beste von ihrer Persönlichkeit und ihrem Besitz zu geben, um ein nachhaltiges Vermächtnis für ihre Kinder und Enkel bis zum heutigen Tag zu schaffen.

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