Die Creeds: Wo die Hoffnung lebt
prüfte das Pseudonym des Höchstbietenden, für den Fall, dass es jemand war, den sie kannte – oder vielleicht eine ihrer Stammkundinnen. Doch sie kannte den Namen nicht. Dennoch sagte ein flaues Gefühl in der Magengegend ihr, dass hier etwas nicht stimmte.
Carolyn starrte konzentriert auf den Bildschirm, als könnte sie so das Geheimnis lüften, tappte aber weiterhin im Dunkeln.
Sie saß immer noch vor dem Computer und bearbeitete ihre regulären E-Mails, als jemand unten an der Eingangstür klopfte.
Tricia? Nein, sie hatte einen Schlüssel, und es war außerdem noch viel zu früh.
Brody? Freudige Erregung durchströmte Carolyn, doch sie drängte sie rasch zurück. Er hatte gesagt, es gäbe viel auf der Ranch zu tun, und sie waren übereingekommen, ein paar Tage Pause einzulegen.
Außerdem waren sie am Samstagabend verabredet, zum Essen und zum Kino.
Bis dahin wollten sie die Unbeteiligten spielen.
Das Klopfen, höflich, aber beharrlich, hörte nicht auf.
„Immer mit der Ruhe“, brummte Carolyn und wäre beinahe kopfüber die Innentreppe heruntergefallen, weil Winston an ihr vorbeipreschte, um zur Begrüßungszeremonie zur Stelle zu sein.
Als sie im Eingangsflur angelangt war und die Tür öffnete, hatte Carolyn sich zu einem aufgesetzten Lächeln durchgerungen.
Es erlosch, als sie den Besucher erkannte. Bill Venable stand auf der Veranda und sah besorgt und verlegen und wie immer sehr attraktiv aus. Sein Bizeps war fast so eindrucksvoll wie Brodys.
„Bill“, sagte Carolyn und konnte ihre Überraschung nicht verbergen.
„Entschuldige. Ich weiß, ich hätte vorher anrufen sollen.“
Carolyn trat einen Schritt zurück, um ihn einzulassen. Was um alles in der Welt wollte er so früh am Morgen von ihr? Selbst die Zeitung war noch nicht ausgeliefert worden.
„Stimmt etwas nicht?“, fragte sie. „Ellie geht’s doch gut, oder?“
Bill nickte. Er hatte einen Stoppelbart, vielleicht ein Zeichen seiner Sorge, denn normalerweise war er glatt rasiert. „Ellie geht’s gut“, sagte er hastig. „Es ist nur so – unten in New Mexico ist ein Feuer ausgebrochen, ein großes, und ich muss sofort aufbrechen.“
Sie standen in der Eingangshalle, und Winston, sehnig und geschmeidig wie eine Schlange mit Fell, miaute und strich um ihre Knöchel.
Carolyn wartete, sie hatte immer noch keine Ahnung, was Bill von ihr wollte.
Er lächelte zaghaft. „Wir wollten doch mal zusammen einen Rundflug in meinem Flugzeug machen, irgendwann in der nächsten Zeit?“, erinnerte er sie. „Ich möchte nicht, dass du denkst, ich hätte es vergessen. Ich weiß nicht, wie lange ich fortbleibe, und außerdem werde ich wohl zu beschäftigtsein, um dich anzurufen. Obendrein wütet der Brand in einer ziemlich abgelegenen Gegend, wo mein Handy womöglich gar keinen Empfang hat …“ Er schien nach Worten zu suchen, und Carolyn fühlte mit ihm. Als er schließlich weiterredete, erschrak sie leicht über seine Worte. „Es ist durchaus denkbar, dass ich nicht … Ich wollte dir nur persönlich sagen, dass ich eine Zeit lang nicht im Lande bin.“
Es war, als wäre Bill gekommen, um Abschied zu nehmen – für immer –, weil er Grund zur Sorge hatte. Natürlich hatte sie davon gehört, dass Piloten Vorahnungen von einem Absturz oder einer anderen todbringenden Katastrophe hatten.
Wollte Bill ihr sagen, dass er glaubte, bei der Bekämpfung dieses Brandes ums Leben zu kommen ?
Tränen traten ihr in die Augen, und einen verrückten Moment lang wollte sie ihn anflehen, nicht zu fliegen und an Ellie und Angela zu denken und an all die anderen Menschen, die ihn sicherlich liebten.
„Bleibt Ellie während deiner Abwesenheit bei ihren Großeltern?“, fragte sie stattdessen.
Bill schüttelte trübselig den Kopf. „In den nächsten paar Tagen nicht. Ein Freund von ihnen ist plötzlich und unerwartet gestorben, und sie sind zu seinem Begräbnis nach Houston gefahren. Ellie wohnt bei Angela, bis Charlie und Stella zurückkommen.“
„Ach“, sagte Carolyn und hoffte, das könnte bedeuten, dass Bill und Angela ihre Trennung noch einmal überdachten. Ihrer Meinung nach gehörten sie zusammen.
„Es ist nicht so, wie du denkst“, beeilte Bill sich zu sagen. „Angela hat ihre Ansicht über meinen Beruf nicht geändert. Sie hasst ihn, und sie ist außer sich vor Wut, weil ich diesen Auftrag nicht abgelehnt habe. Aber ich weiß, dass sie sich gut um Ellie kümmern wird, und das ist das Wichtigste. Die beiden verstehen sich sehr
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