Die Creeds: Wo die Hoffnung lebt
als Brody aus dem Stall trat. „Der Kaffee läuft durch.“
„Ich bin gleich da“, erwiderte Brody und blieb stehen, um Firefly am Futtertrog auf der Koppel zu beobachten.
Das ist ein Pferd, dachte er.
„Komm bloß nicht auf die Idee“, warnte Davis ihn, der plötzlich neben ihm auftauchte, die Unterarme auf die oberste Zaunlatte legte und mit einem Nicken auf Firefly wies. „Er ist tabu, Brody, und damit basta.“
Brody warf seinem Onkel einen Seitenblick zu. „Ich werde mit jedem Pferd fertig“, sagte er fest. „Meine Meisterschafts-Gürtelschnallen und die Geldpreise sind Beweis genug.“
Davis kniff die Augen zusammen, und sein Tonfall war so ernst wie seine Miene. „Dein Dad hat einmal etwas ganz Ähnliches gesagt. Das war an dem Tag, als ich ihn warnte, sich von dem Hengst fernzuhalten, den wir oben im Vorgebirge wild eingefangen hatten, bis er kastriert war und Zeit gehabt hatte, sich ein bisschen zu beruhigen. Blue meinte, ihm wärenoch kein Pferd begegnet, das er nicht reiten konnte, aber ich dachte, es wäre nur Gerede und er wüsste, dass ich recht hatte. Und dann lag mein Bruder mit einem Genickbruch auf der Koppel, und dieser Hengst umkreiste ihn wie ein Bussard.“
Davis hielt inne, holte zittrig Luft und blickte auf einen Punkt in der Nähe, als spielte sich die Szene auch nach so vielen Jahren noch kristallklar vor seinem inneren Auge ab.
„Mein Jagdgewehr lag in meinem Pick-up“, fuhr er fort, ohne Brody anzusehen, „und ich erledigte den Hengst mit einem einzigen Schuss. Ich dachte, es bestünde noch Hoffnung, dass Blue durchkommt. Ich habe nicht nur einmal, sondern wohl hundertmal gesehen, wie ein Pferd ihn abwarf, und ein paarmal hat er sich sogar Knochenbrüche zugezogen. Doch Blue rührte sich nicht, schlug die Augen nicht auf. Kim rief den Rettungsdienst an, und ich blieb bei Blue auf der Koppel. Das tote Pferd lag ein paar Meter entfernt, und ich versicherte meinem Bruder, alles würde wieder gut. ‚Du musst nur durchhalten, Hilfe ist schon unterwegs. Ich bin bei dir, Blue, ich bin hier und bleibe bei dir …‘“
Davis brach ab, musste ein paar Sekunden aussetzen, um sich zusammenzureißen.
Brody wartete, und seine Augen brannten, während sein Onkel, einer der härtesten Männer, die er kannte, um Fassung rang.
„Du weißt, was passiert ist“, sagte Davis und blickte Brody direkt ins Gesicht. „Dein Dad ist nicht mehr aus dem Koma erwacht. Sechs elende Wochen später war er tot.“ Der ältere Mann schluckte krampfhaft, und seine Augen schimmerten feucht, was selten vorkam. „Ich habe Firefly auf die Ranch geholt, um ihm das Leben zu retten, Brody. Niemand wollte ihn haben. Alle sagten, er wäre wertlos und brächte nichts als Ärger. Aber hör mir zu, mein Sohn, hör mir gut zu: Ich würde ihm eher eine Kugel in den Kopf schießen, bevor ich zuließe,dass irgendwer – ganz egal, wer – ihn reitet. Haben wir uns verstanden?“
„Das Frühstück wird kalt“, zwitscherte Kim auf der seitlichen Veranda.
Brody und Davis rührten sich nicht, ließen den Blick des anderen nicht los.
„Haben wir uns verstanden?“, fragte Davis ein zweites Mal.
„Wir haben uns verstanden“, antwortete Brody und seufzte.
Davis schlug ihm auf die Schulter, er lächelte sogar verhalten, doch sein Blick war so ernst, wie Brody ihn noch nie gesehen hatte. „Gib mir dein Wort darauf.“
„Du hast mein Wort“, erwiderte Brody. „Ich werde das Pferd nicht reiten.“
18. KAPITEL
C arolyn hatte gerade einen ausgesprochen missmutigen Winston aus seiner Transportkiste in die offenen Weiten der leeren Küche der Creeds entlassen, als sie ein Fahrzeug vorfahren und mit quietschenden Bremsen halten hörte.
Sie warf einen Blick auf die Uhr – es war kurz nach Mittag –, bevor sie aus dem Fenster spähte und halb damit rechnete, Kim und Davis zu sehen, die etwas vergessen hatten.
Statt ihrer stieg Tricia schwerfällig aus ihrem Pathfinder und wedelte mit einer Hand vor ihrem Gesicht, um den Staub abzuwehren, den sie bei ihrer Ankunft aufgewirbelt hatte.
Mit neuem Mut, aber gleichzeitig auch mit dem Gefühl, jedem Schlag und Stoß wehrlos ausgesetzt zu sein, öffnete Carolyn die Seitentür und begrüßte ihre Freundin mit einem Lächeln und einem Winken. „Du solltest die Bremsen überholen lassen. Ich habe sie bis ins Haus gehört.“
„Keine Sorge. Conner hat mir das Versprechen abgenommen, mein Fahrzeug gegen Kims und Davis’ einzutauschen, bis der Kfz-Mechaniker in der
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