Die Cromwell Chroniken - Schicksals Pfade (German Edition)
beeindruckend, dass du den Schritt gewagt hast, dich zu deinen Fähigkeiten zu bekennen.“
Dieses Lob kam unerwartet, war jedoch nicht unerwünscht.
„Danke.“
„Ich muss aber ganz ehrlich sagen, dass du dir selbst viel verbaut hast, indem du dich nicht früher mit deinen Fähigkeiten auseinandergesetzt hast. Gerade durch Ausprobieren werden junge Begabte mit ihren Gaben vertraut.“
„So würde ich das nicht sagen. Ich habe mich sehr wohl mit meinen Fähigkeiten beschäftigt. Es ist ja auch schwer, eine unfreiwillige Vision an sich vorüberziehen zu lassen.“
Patricia nickte grinsend.
„Das stimmt natürlich. Was ich eigentlich sagen wollte, ist, dass du vom Wissen und der Anleitung durch andere Seher sehr profitiert hättest. Aber gut, das lässt sich alles aufholen. Wenn wir etwas haben, dann ganz sicher Zeit. Wenn ein Medium, so wie du, heranwächst, dann lernt es die ersten grundlegenden Dinge des Ordens von seiner Familie. In deinem Fall ist dies natürlich nicht geschehen. Aus diesem Grund möchten wir, dass du eine Reise zu den Wurzeln unseres Ordens antrittst. Das ist eine absolut einmalige Sache. Das wurde noch nie einer Probandin angeboten. Würde dich das interessieren?“
Eine Reise antreten? Das klingt ziemlich einfach.
„Klar, was muss ich dafür tun?“
„Wir haben gehört, dass du gute Ergebnisse dabei erzielt hast, dich in Trance zu versetzen. Ist das richtig?“
Das will ich wohl meinen.
Katharina nickte. Sie sah keinen Grund zur Bescheidenheit. Die Visionssuche war ein unangenehmer Prozess ( mit überaus unangenehmen Nachwirkungen ), darauf durfte man sich schon etwas einbilden.
„Wenn das so ist, dann würde ich dich gerne in Trance versetzen und dich zu dem ersten Orakel unseres Ordens, der ersten Sapientia Oracularum, schicken. Wäre das in Ordnung für dich?“
In Ordnung? Das wäre total genial!
Anstatt laut zu jubeln, beschränkte sich Katharina auf ein bescheidenes „Ja, natürlich“.
„Sehr schön. Mir ist wichtig, dass du dich wohlfühlst und dich gut konzentrieren kannst. Es wäre auch ungünstig, wenn uns jemand unterbrechen würde. Normalerweise würde ich dich fragen, welcher dein Lieblingsort für die Visionssuche ist, aber da das eine Prüfung sein soll, muss ich dich leider von hier entführen.“ Patricia schmunzelte gut gelaunt.
„Das macht gar nichts. Hier habe ich immer im Meditationsraum oder in meinem Zimmer geübt. Zumindest in Letzterem war ich ungestört. Aber ich habe kein Problem, an einem anderen Ort in Trance zu gehen. Es sollte nur nicht laut sein.“
Die Prüferin lachte und Vanita lächelte ebenfalls.
„Keine Sorge. Ich habe da einen sehr ruhigen und heimeligen Ort im Kopf. Kannst du eigentlich reiten?“
Linda war sich nicht sicher, ob sie alles richtig verstanden hatte. Rosina selbst hatte ihr den Ablauf ihrer Ordensprüfung erklärt. Für jemand anderen wäre es eine Auszeichnung gewesen, wenn sich das Ordensoberhaupt persönlich der eigenen Prüfung annahm, doch Linda dachte sich nichts weiter dabei. Sie war es gewöhnt, dass andere Zirkus um sie machten. Für den „Durchschnittsmenschen“ war eine Blinde eine total hilflose Person. Niemand konnte sich vorstellen, dass sie ein ganz gewöhnliches Leben führte. Natürlich konnte sie nicht alles, was ein Normal-Sehender konnte, doch dafür waren ihr Dinge möglich, die der Rest der Welt nicht vollbringen konnte. Dass sie ihre Fähigkeiten schon als Kind besessen hatte, war ein Grund dafür, dass sie mehr Aufmerksamkeit genoss als die anderen Studenten. Im Allgemeinen war es der Studentin jedoch lieber, wenn sie von den älteren Magiewirkenden nicht behelligt wurde. Natürlich meinten alle es nur gut mit ihr – und so war sie niemandem böse, doch sie mied diese Situationen so gut es eben ging. Aber Rosina war anders und Linda mochte sie. Davon abgesehen war das Ordensoberhaupt mit Lindas Großmutter befreundet. Aus diesem Grund war es ihr sehr recht, dass sie sich ihrer angenommen hatte. Der alten Dame würde sie bestimmt nichts über ihr Leben erzählen müssen. Sicher wusste diese bereits alles, was es über Seher zu wissen gab.
„Linda, du bist ein junges Mädchen mit vielen Fähigkeiten“, hatte sie gesagt.
Für eine fast 200-Jährige ist wohl jede andere Frau ein „junges Mädchen“ , dachte Linda gut gelaunt.
„Wir möchten dir helfen, deine Grenzen zu erweitern und noch mehr Begabungen, die ganz sicher in dir schlummern, zu entdecken.“
„Das klingt gut“,
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