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Die Daemonen 01 - Die Daemonen

Die Daemonen 01 - Die Daemonen

Titel: Die Daemonen 01 - Die Daemonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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gleich alles auseinanderbrechen, was in Jahrhunderten gefestigt wurde«, schwächte er ab. »Jetzt würde ich gerne mit meinen ursprünglichen Plänen fortfahren und endlich meine Reise zum Gramwald beginnen.«
    »Mein König, haltet Ihr es wirklich für eine gute Idee, den Thron unbesetzt zu lassen – jetzt, wo eine Wahnsinnige gierig nach Throneswürden greift?«
    »Sie wird meinen Thron nicht antasten. Sie wird keinen Krieg gegen mich beginnen.«
    »Wie könnt Ihr Euch da so sicher sein?«
    Gäus lächelte. »Ich weiß es einfach. Lassen wir es damit auf sich beruhen. Ich möchte den Gramwald erleben! Kommt Ihr mit oder wollt Ihr hier die Stellung halten?«
    »Ich würde gerne in Orison-Stadt die Vorgänge im Sechsten Baronat im Auge behalten, fürchte jedoch um Eure Sicherheit im Gramwald.«
    »Dann hört auf, Euch zu fürchten, mir kann dort nichts geschehen. Begleitet mich. Vielleicht könnt Ihr ja etwas lernen.«
    Tanot Ninrogin war verdutzt. War dies derselbe, oftmals so schwächlich wirkende Knabe, den er bei seiner Krönung noch hatte führen und stützen müssen? Konnte ein Mensch nur dadurch, dass er eine Krone trug, so schnell an Selbstbewusstsein und Sicherheit gewinnen? Nein. Es lag nicht an der Krone. Sonst wäre die Baroness den Dauren durch ihren albernen Griff zur eigenen Königswürde ja ebenfalls ein wertvollerer Mensch geworden. Nein, es lag an der Rechtmäßigkeit der Krone. Und am Blut Tenmacs II. und Tenmacs I., das durch die Adern Tenmacs III. floss.
    Möglicherweise hatte dieser Junge sogar recht, und Tanot Ninrogin würde etwas lernen in dem Wald, der Menschen in den Selbstmord trieb.
    Die Reise führte über das Innere und das Hauptschloss des Achten Baronats durch karges Acker- und Hügelland zum sagenumwobenen Gramwald.
    Dieser Wald war nicht groß, aber finster, flechtenbehangen, verkrüppelt, von eigenartig scharfem Geruch und einer Atmosphäre, die so dicht war, dass man sie gegen die Sonne schillern und wabern sehen konnte. Die Bäume hatten seltsame Farben, bläulich, einige ins Violette spielend, andere unnatürlich leuchtend braun und frisch glänzend oder sogar rosafarben oder rötlich wie etwas, das eher Innerei war als Pflanze. Alles wirkte prall und saftig in seiner geradezu aggressiven Fruchtbarkeit.
    Gäus drohte keinerlei Gefahr in diesem eigentümlichen, von den Menschen weitgehend gemiedenen Wald, denn er war kein Mensch. Tanot Ninrogin dagegen wurde schon in den Ausläufern von großem Kummer überwältigt. Er sah seine Jugend in Diensten des Königs Tenmac II., eine Jugend, die von Drill und Pflicht bestimmt gewesen war. Er sah den zehntägigen Krieg gegen das Zweite Baronat, eine kaum begreifliche Entladung von Hass und Gewalt in einem ansonsten so friedlichen Land. Weil es ansonsten so friedlich war, hatte er sich hinterher immer wieder gesagt, weil es so lange still geblieben war, hatte sich dermaßen viel angestaut, bis es sich in schauerlichen Gräueln Bahn brechen musste. Er sah den Sohn des Königs heranwachsen, weinerlich, strauchelnd, mit x-förmigen Weberknechtbeinen unter dem dünnen Leib, die Augen bleich, bittend und fragend. »Selten war ein Mensch so ungeeignet für eine so schwere Bürde wie diesen Thron«, hatte Tenmac II. zu ihm, Tanot, seinem treuen Leibwächter und Berater gesagt. »Nimm du dich seiner an, versprich es mir. Mach einen Mann aus ihm, und wenn nicht einen Mann, so doch immerhin einen Menschen mit Rückgrat.« Tanot hatte sich des Schwächlings angenommen, des Wechselbalgs, wie der König seinen Sohn oft genannt hatte. Dann der Unfall. Der schreckliche, sinnlose Unfall. Fettige Bratensoße wurde von einem Diener verschüttet, auf dem Balkon bei einem Turnier. Der König, erregt über das Turniergeschehen, steht auf und will irgendwohin eilen, rutscht in der Soße aus, gleitet über die Balustrade – und sein Hals knackt wie ein morscher Zweig. Der Wechselbalg wird gekrönt, mit sechzehn Jahren, und beschließt als Erstes, alles anders zu machen als sein Vater. Selten war ein Mensch so ungeeignet für eine Krönungszeremonie wie dieser Tenmac III., selten wurden in so kurzer Zeit so viele protokollarische Fehler begangen wie an diesem schamesroten Tag. Doch Tanot Ninrogin, vorzeitig eisgrau vor Sorge um das Land, die Stadt und den Thron Orison, liebt diesen ungelenken Knaben schon längst, liebt ihn so, wie er dessen Vater achtete, denn hinter den blassblauen Augen des Jünglings schimmert eine zarte, poetische Seele, die Mitgefühl

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