Die Daemonen 02 - Freiheit oder Finsternis
Lande wandelte und die Grenzen errichtete, um das Land in neun Baronate zu gliedern, wohnte in der Senke von Zegwicu ein Windmüller mit seiner wunderschönen Tochter. Die Tochter war in dem Alter, in dem sie verheiratet werden sollte, doch sie konnte sich nicht entschließen. Unter den vielen Bewerbern, die zur Mühle kamen, um ihr nach allen Regeln der Kunst den Hof zu machen, befanden sich nämlich gleich drei, die ihr ausnehmend gut gefielen. Der eine hatte wunderschöne Haare, der zweite wunderschöne Augen und der dritte wunderschöne Hände. So sehr ihr Vater sie auch drängte: Die Tochter konnte sich für keinen Bräutigam entscheiden. Stattdessen schien sie eszu genießen, umworben zu werden und die freie Auswahl zu haben. Eines Tages nun kamen Coldriner aus den Bergen und überfielen das Land.«
»Oh, oh«, machte Königin Lae schmunzelnd, »was will uns diese Geschichte wohl sagen?«
»Vielleicht, dass man niemals den Coldrinern trauen sollte?«, vermutete Lehenna Kresterfell, und Königin Lae suchte vergeblich im Gesicht ihrer Beraterin nach Anzeichen eines Scherzes.
Die Greisin hob begütigend eine Hand. »Diese Geschichte handelt von anderen Zeiten. Damals besaß unser Land keine Königin, die in der Lage war, Feinde zum Bündnis zusammenzuschließen. Die Coldriner waren einfach nur böse, mehr gestand diese Zeit ihnen nicht zu. In jedem Fall überfiel ein Trupp von ihnen …«
»Vielleicht waren es gar keine Coldriner, sondern Vorfahren der Wolkenstreichler «, wagte die Königin eine neuerliche Unterbrechung.
Die Greisin ließ sich nicht beirren. »Sie werden als Nebelteufel beschrieben, aber vielleicht habt Ihr dennoch recht. Vielleicht wusste man damals nicht zwischen Bergmenschen und den Menschen jenseits der Berge zu unterscheiden. Wie auch immer: Die Nebelteufel überfielen das Grenzland, und der junge Werber mit den wunderschönen Augen fiel dem Überfall zum Opfer. Die schöne Windmüllerstochter war verzagt, aber noch standen ihr ja zwei hübsche Bewerber zur Auswahl. Dann meldete sich einer von diesen beiden, der mit den wunderschönen Händen, freiwillig zur Teilnahme an der Vergeltungsaktion der Grenzlandbewohner. Vielleicht war er des langen Wartens um die Hand der schönen Windmüllerstochter überdrüssig geworden – wer willdas heute noch mit Sicherheit sagen können? Jedenfalls ritt er mit dreißig anderen Bewaffneten in die Berge und ward nie wieder gesehen. Keiner von ihnen kehrte jemals zurück. Die Wolkenpeinigerberge verschluckten sie einfach. Die Windmüllerstochter hatte nun zwar immer noch viele Freier aus nah und fern, unter diesen aber nur noch einen einzigen, der ihr wirklich gefiel: den mit den wunderschönen Haaren. Und der rasierte sich den Schädel kahl und ging als Mönch in ein Kloster, weil er nur so die Untaten der Nebelteufel und die vielen Opfer, die es gegeben hatte, verarbeiten konnte. Die schöne Windmüllerstochter hatte all ihre drei Lieblingsgalane verloren, einfach nur, weil sie zu lange mit ihrer Entscheidung gezögert hatte. Es gibt übrigens noch eine zweite, etwas grausamere Fassung dieser Geschichte. In dieser Fassung töten die Coldriner den Bräutigam mit den wunderschönen Augen nicht, sondern stechen ihm lediglich die Augen aus. Der Zweite, der in die Berge reitet, bekommt dort seine beiden wunderschönen Hände abgeschlagen, kehrt aber als lebendiger Krüppel zurück. Und der Dritte wird nicht Mönch, sondern bekommt von den zurückgekehrten Nebelteufeln am Ende Haare und Kopfhaut heruntergerissen, sodass auf seinem Schädel nie wieder etwas nachwachsen wird. In dieser Fassung leben also alle drei Freier noch, aber sie haben jegliche Anziehungskraft auf das Mädchen verloren. Die Moral ist dieselbe: Entscheide dich, Mädchen, solange du noch die Zeit hast, dein Glück zu genießen, denn du weißt nie, wann alles zu Ende ist.«
»Und was bedeutet diese Geschichte auf unsere jetzige Situation bezogen?«, fragte die Königin.
»Dass Ihr alles richtig macht, meine Königin«, nicktedie Greisin. »Nutzt die Senke von Zegwicu, um eine endgültige Entscheidung in diesem Krieg herbeizuführen. Solange es in Orison noch überlebende Menschen geben mag, die sich darüber freuen können. Solange es noch nicht bedeutungslos geworden ist, wer am Ende eigentlich die Oberhand behält.«
Lae, die früher als Offizierin unter anderen Offizieren Dienst getan hatte, schauderte. »Ist es denn denkbar, dass man … einen Krieg führt, dessen Ende ohne
Weitere Kostenlose Bücher