Die Daemonen 02 - Freiheit oder Finsternis
die Müdigkeit sie übermannte – sich zur Ruhe betten zu können. Dennoch dachte keiner von beiden auch nur einen Augenblick daran, die Mission verloren zu geben, die von den Dämonen eingenommene Hauptstadt zu umgehen und irgendwo anders, vielleicht an der noch unbehelligten Ostküste, das eigene Heil und Glück zu suchen. Ihre Mission konnte von entscheidender Bedeutung für das gesamte Land Orison sein, und diese Tatsache machte ihrer beiden Gesichter – auch wenn Leldist Laanebrugg unterwegs ab und zu ein Lied zum Besten gab – hart und entschlossen.
Als ihnen am dritten Tag ihres Rittes aus südlicher Richtung plötzlich ein 10 000 Dämonen starker Trossentgegengeeilt kam, rutschten den beiden Emissären dennoch das Herz in die Hose. Allein der Anblick der wilden Horde, die aus Wesen zusammengesetzt war, die ein menschlicher Verstand sich nicht auszudenken vermöchte, ließ die beiden Unterhändler glauben, ihr letztes und vollkommen sinnloses Stündlein habe geschlagen.
Eine kurze Zeit lang schrien die beiden sich an, doch dann wurden sie sich einig, dass sie sich in die Büsche schlagen mussten. So suchten sie Deckung inmitten von wildem Ginster und überschneiten Haselsträuchern.
Die Dämonen unter Orogontorogons Führung tobten mit heraushängenden Zungen vorüber. Doch einem der Fliegenden, der wie ein in langes Angorafell gehüllter Raubvogel immer wieder unruhig von Richtung zu Richtung schoss, fiel eine weiße Fahne auf, die an einer Stange aus einem Gebüsch ragte. Am unteren Ende dieser Fahne fand er ein Reittier, daneben ein zweites, und wiederum daneben zwei in die Büsche gekauerte, schlotternde Menschlein.
Der Angoravogel erstattete Orogontorogon Bericht. Orogontorogon beschloss, sich die Menschlein mit der seltsam leeren Fahne genauer anzuschauen.
»Wir sind entdeckt!«, zischte Naona Ickard ihrem Begleiter zu. »Sie werden uns fressen!«
Doch nun kam der Moment, an dem der Bänkelsänger Leldist Laanebrugg sich zu seiner vollen Körpergröße aufrichtete. »Nein«, sagte er, ohne sich mit Reimen aufzuhalten. »Wir sind Unterhändler des Menschengeschlechtes. Man wird uns anhören müssen. Reicht mir die Fahne, Schicksalsgefährtin!«
»Wie wollt Ihr Euch ihnen nähern?«
Der Barde nahm die Unterhändlerflagge von ihr in Empfang. »Ihr werdet sehen«, wisperte er zuversichtlich, »Dämonen lieben das Reimen! In früherer Zeit konnte man sie ausschließlich durch Gereimtes anrufen und sich gewogen machen. Sie werden entzückt sein, in kunstvollerer Art und Weise als bislang angesprochen zu werden.«
»Übertreibt es nur nicht«, gab Naona Ickard immer noch zischend zurück. »Sobald ihre … Gesichter Missfallen andeuten, beendet das Reimen und übergebt das Wort an mich!«
»Oder«, sagte Leldist Laanebrugg mit tapferem Lächeln, »meine treue Laute und ich stimmen ein feierliches Liedgut an.«
Der Dämon, der sich allen anderen Dämonen voran nun dem Gebüsch näherte, war von eindrucksvoller Gestalt. Feuerrot mit Hundeschädel, größer als die meisten Menschenmänner und dabei von schlanker und dennoch kräftiger Statur. Auf dem einen Arm hielt er ein Menschenkind. Also war auch er eine Art Unterhändler, ein Vermittler zwischen den Völkern!
Leldist Laanebrugg räusperte sich und trat, die Fahnenlanze hoch erhoben in der einen und die Laute in der anderen Hand, zwei Schritte aus dem lästig anhänglichen Strauchwerk hervor.
»Dämonenfreunde, hört mich an! Ich bin zwar nur ein einfacher Mann, doch spricht durch mich die Königin und verleiht meinen Worten krönenden Sinn. Von Frieden soll ich heut’ Euch künden, von Händedruck fern aller Sünden, von Licht und Frohsinn und Gesang, und nicht von Blut und Waffenklllll …«
Mit einer einzigen raschen Bewegung hatte Orogontorogondem Bänkelsänger den Kopf vom Hals gerissen. Die weiße Flagge stand noch kurz wie unschlüssig von selbst und fiel dann neben den gluckernd auslaufenden Leib.
Fragend blickte das glutrote Ungeheuer Naona Ickard an und machte auf eine Art und Weise, die für Naona Ickard nicht nachzuvollziehen war, eine galant tiefe Verbeugung. »Entschuldigt bitte, Menschenweib, aber ich könnte jemanden gebrauchen, der für ein paar Tage auf dieses reizende Kind achtgibt, bis ich wieder zurückkehre.«
Naona Ickard betrachtete das Blut des Bänkelsängers, das zäh von Haselzweigen tropfte, und fing schrill an zu schreien. Lange schrie sie so, hoch, laut, in Schüben und Wellen, doch der Albdruck
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