Die Daemonen 02 - Freiheit oder Finsternis
sie sich nur, dass der Wagen mit der von ihrem Beinbruch immer noch nicht genesenen Königin in der Mitte der dicht gedrängten Gruppe zu fahren hatte.
Das erste Nachtlager auf coldrinischem Boden war äußerst unheimlich. Die überall herumwimmelnden Käfer ließen sich kaum davon abhalten, die Schlafenden einzuspinnen oder zu zwicken. Mehrmals vermeinten die Wächter in der Dunkelheit dämonische Umrisse zu sehen, doch jedes Mal erwies sich die Sichtung als unbestätigbar.
Den Ältesten unter den Eintausend bereitete am meisten Sorge,dass die leuchtenden Städte des Himmels in Coldrin zu anderen Konstellationen angeordnet schienen als in Orison. Lae, die viel auf die Meinung der Ältesten gab, überlegte, ob Coldrin vielleicht nicht nur ein anderes Land, sondern gleich eine andere Welt war.
Am Morgen war der Nebel so dicht, dass man ihn beinahe mit den Händen greifen und verformen konnte. Etliche der Eintausend husteten oder fühlten sich ungewöhnlich müde und schlapp.
»Wir müssen diesen Nebel hinter uns lassen«, sagte die Königin zu ihren Vertrauten, »haben aber natürlich keine Kenntnis darüber, ob er nicht immer dichter wird, wenn wir weiter ins Landesinnere vorrücken.«
»Was sollen wir also machen?«, fragte einer. »Zurückgehen in die Berge, um durchatmen zu können?«
»Wir sind nicht so weit gekommen, um zurückzugehen. Bevor wir alle ohnmächtig werden, müssen wir jedoch Boten zurückschicken, damit nicht unsere übrigen 27 000 unter Umständen denselben Fehler machen wie wir. Wir sollten nicht vergessen, dass von den Emissären, die mein Thronvorgänger Tenmac III. nach Coldrin geschickt hat, nicht ein Einziger zurückgekehrt ist. Soweit ich weiß, ist überhaupt noch nie jemand lebend aus Coldrin zurückgekehrt.«
»Das muss nicht unbedingt bedeuten, dass man hier zugrunde geht«, murmelte eine ältere Frau. »Vielleicht verliert man ja auch nur die Erinnerung an Orison und bleibt dann für immer glücklich hier.«
»Das wäre besser als zu sterben, würde unserem Land aber auch nicht weiterhelfen«, entgegnete die Königin ernst. »Also beißen wir die Zähne zusammen. Es muss Menschen geben, die in diesem Nebel überleben, denn esgibt hier einen König. Tiere haben, so viel ich weiß, keinen König.«
»Doch«, sagte ein junger Mann vorsichtig. »Bienen haben Königinnen. Ameisen auch. Insekten halt.«
Beunruhigt schauten sie sich alle um. Der Boden schien zu wimmeln. Dann brachen sie wieder auf.
Sie legten noch einen weiteren halben Tag im schier undurchdringlichen Dunst einer Waschküche zurück. Schweiß drang ihnen aus allen Poren. Die Winterkleidung der Berge hing schon längst seitlich an den Satteltaschen. Einige Männer ritten sogar mit nackten Oberkörpern. Da es hier keine fliegenden und stechenden Insekten zu geben schien, war das recht angenehm.
Dann schälten sich voraus erschreckende Umrisse aus dem Nebel. Vielbeinige Dämonen, größer als Pferde. Sie standen dicht an dicht, Hunderte von ihnen. Auch rechts und links wurden sie sichtbar, schließlich auch hinten. Die Eintausend waren umzingelt.
Lae hatte bis zuletzt noch an einen Irrtum der Augen geglaubt. An seltsam verwachsene Weidenbäume vielleicht oder heidnische Skulpturen. Doch die Umrisse bewegten sich. Und auf ihren Rücken schienen Reiter zu sitzen.
Die Pferde der Eintausend begannen sich, gegen die Führhand zu sträuben und die Augen ins Weiße zu verdrehen. Viele äpfelten vor Furcht.
»Das sind die Rekamelkish«, raunte die Königin. »Lasst mich vorbei. Ich werde zu ihnen sprechen!«
Obwohl einige der Jüngeren dagegen waren, wurde der Wagen nach vorne durchgeführt. Lae I. erhob sich schwankend an ihren Krücken auf der Wagenfläche.
»Bewohner Coldrins, hört mich an!«, rief sie mit lauter und klarer Stimme, die im wehenden Nebel dennoch flach klang. »In großer Not wende ich mich an euch! Ich bin die Königin des Landes Orison, und ich erbitte eine Audienz bei eurem König Turer, um die Gefahr zu erörtern, die unseren beiden Ländern droht!«
Einer der Reiter löste sich aus der Formation der anderen. Er kam näher. Sein Reittier war eine Gottesanbeterin mit den ausladenden, kräftigen Beinen einer Riesenspinne, und sie war so groß wie zwei zusammengebundene Ochsen. Der Reiter trug eine Art Rüstung, die ebenfalls aus Insektenteilen zu bestehen schien, bunt und bizarr wie ein orisonischer Dämon und mit einem Helm, der einem Hörner tragenden Käferschädel nachempfunden war. »Eine
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