Die Daemonen 02 - Freiheit oder Finsternis
der Ritter in einer Ansammlung von Metallschrott. Abermals klaubte er sich hoch. Die Klinge bewegte sich in sich selbst, wie schnappende Scheren. Dann drang sie tief in Snidraleks Leib. Der Büffel blökte und verendete, und seine Zunge wurde ihm mitsamt seines Blutes aus dem Maul gespült. Der Ritter konnte sich nur noch aufrichten, indem er sich auf sein multiples Schwert stützte. Dann hob er langsam und Metall verbiegend seinen menschlichen Arm zum Zeichen des Sieges.
Für ein paar Augenblicke sah es so aus, als würden sich die zahlenmäßig weit überlegenen Dämonen nun auf alle Menschen stürzen, um zu zerbeißen, was ihnen im Weg war.
Dann ging Culcah dazwischen. »Der Kampf ist VORÜBER. Die Menschen haben GESIEGT. Wir ziehen UNVERZÜGLICH ab. «
»Sind wir nicht Dämonen?«, hörte er eine Stimme aus seinem Heer. »Seit wann müssen Dämonen sich an Regeln halten?«
Doch er schenkte dem keine Beachtung. Der schwarze Ritter wurde, verbeult und sichtlich am Ende seiner Kräfte, von seinen menschlichen Bewunderern gestützt,hochgehoben und zum stolzen Schloss zurückgetragen. Culcahs Unterbefehlshaber und der dürre Offizier trugen Sorge, dass kein Dämon den Menschen ein Haar krümmte.
Culcahs Gesichter lächelten verschlagen. Eigentlich war es gar nicht schlecht, dass die Menschen noch eine Bastion behielten. In ihr konnten sich alle menschlichen Rebellen und Freiheitsträumer wie an einem leuchtenden Anziehungspunkt versammeln. Das würde den Dämonen Suche und Mühsal ersparen und dem endgültigen Vernichtungsschlag umso mehr Wucht verleihen.
Snidralek geriet in Panik. Die Klinge des Ritters hatte mit ihren suchenden Verästelungen beinahe ihn selbst erwischt, ihn, den im Inneren des Büffelungetüms verborgenen Lenker! Jetzt fand er nur unter Mühen noch hinaus, zitternd und weinend. Geschwächt prallte er an den Reihen der Dämonen ab. Sie waren so voller Zorn und Widerwillen angesichts der ihnen gerade bereiteten Niederlage – da war einfach kein Durchkommen!
Ein Mensch. Er musste in einen Menschen flüchten, sonst würde der kalte Wind ihn auseinandersplittern. Aber welcher Mensch war es wert, welcher besaß Kraft genug, um überdauern zu können? Denn Snidralek spürte deutlich, dass jeder weitere Wirtswechsel ihn schwächte, jeder Wirtstod auch seine eigene Essenz mit Sterblichkeit anreicherte.
Der Ritter? Doch vor dem fürchtete er sich nun mehr als selbst vor Culcah und Orison.
Der Sprecher des Ritters? Aber der war doch nur ein mageres Bürschlein, noch unbeträchtlicher als Snidraleks ursprünglicher ungerechter Leib.
Gab es denn nirgendwo einen Menschen, dem zuzutrauen war, Culcahs finalen Zorn zu überstehen?
Nein. Es gab keinen.
Im allerletzten Moment, bevor die Kälte des Winters seine wunde Seele zu Tode bringen konnte, schlüpfte Snidralek in einen zwölfjährigen Waisenjungen, der abseits der Kampfebene im Schnee nach essbaren Blumenzwiebeln grub.
Culcah brachte den Feldzug im Norden rasch zu Ende.
Noch bevor sein Heer das Erste Baronat betreten konnte, kamen ihm bereits die überlebenden Dämonen des mit der dortigen Eroberung beauftragten Heeres entgegen. Es war ihnen gelungen, die 5000 Deserteure, die im Bereich des Seentales über sie hergefallen waren, in einer Reihe von eiswasserdurchtränkten Gefechten niederzumachen. Dabei hatten sie selbst lediglich 2000 Soldaten verloren. Abzüglich der zwei mal 500 Krieger, die sie bei der ansonsten reibungslosen Übernahme des Hauptschlosses und des Äußeren Schlosses dort stationiert hatten, waren es also noch 7000 Dämonen, die Culcahs bewegliches Heer von 24 000 auf 31 000 aufstockten. Somit waren die vier Nordbaronate unter Kontrolle. Lediglich die Hafenstädte hatte man noch unangetastet gelassen, und das Hauptschloss des Zweiten Baronats stand als freie Bastion der Menschen jeglicher Siegesstimmung im Weg.
Genauso spontan, wie er sich vor wenigen Tagen entschlossen hatte, den Zweikampfspakt einzuhalten und vom Hauptschloss abzurücken, entschied Culcah nun, diese freie Bastion auszuradieren. Seine Idee, an dieser Stelle sämtliche noch umherstreifenden Menschen wiein einer großen Reuse zu fangen, war gut gewesen. Andererseits bot eine solche Bastion den Menschen Hoffnung, der vielleicht in die Berge entkommenen Menschenkönigin eine Anlaufstelle und den vielleicht eines Tages ebenfalls in Erscheinung tretenden Coldrinern eine überflüssige Verstärkung.
»SCHEISS auf die Rebellen«, brummte Culcah sich selbst zu.
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