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Die Dämonen ruhen nicht

Die Dämonen ruhen nicht

Titel: Die Dämonen ruhen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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liegt sie im Bett, starrt auf die dunklen Schatten im Zimmer und horcht in die Stille hinein, während sie sich ausmalt, wie Buddy im Haus ihres Vaters in Baton Rouge tief und fest schläft. Gedanken an ihren Sohn und an ihren Exmann Ricky schwirren ihr durch den Kopf wie Motten. Sie überlegt, ob sie sich ins Herz oder in den Kopf schießen würde, falls sie alles verlieren sollte, was ihr wichtig ist.
    Kein Mensch hat auch nur die geringste Ahnung davon, dass Nic an Depressionen leidet. Niemand kann sich vorstellen, dass sie hin und wieder mit dem Gedanken an Selbstmord spielt. Was sie daran hindert, das Unaussprechliche zu tun, ist ihre Überzeugung, dass Selbstmord zu den egoistischsten Sünden gehört, die ein Mensch begehen kann. Sie vergegenwärtigt sich die schrecklichen Konsequenzen einer solchen Tat und schiebt die beängstigende Phantasie weit, weit weg, bis sie das nächste Mal in den Strudel aus Ohnmacht, Einsamkeit und Verzweiflung gerät.
    »Scheiße«, flüstert sie, als sie auf der Main Street nach Süden fährt und das Sno Depot in ihrem emotionalen Kielwasser zurücklässt. »Es tut mir so Leid, Buddy-Boy, mein Buddy-Boy.« Es ist eine schwere Entscheidung, ob sie lieber die ermordeten Frauen oder ihren Sohn vernachlässigen soll.

34
    »Mon petit agneau prise!«
    Mein kleines teures Lamm, übersetzt Scarpetta, während ihr beim Anblick von Chandonnes Handschrift das Herz gefriert, da sie in seinem Brief seine Gegenwart spürt.
    Sie sitzt nun schon so lange in derselben Haltung auf dem Holzstuhl mit der geraden Lehne neben der offenen Schlafzimmertür, dass ihre Lendenwirbelsäule schmerzt und sich die feuchte Meeresluft in kleinen Wassertropfen auf dem Glastischchen vor ihr perlt. Als sie sich endlich ans Atmen erinnert, bemerkt sie, dass jeder ihrer Muskeln angespannt ist und dass ihr gesamter Körper an eine geballte Faust erinnert.
    Der Brief, der Brief, der Brief.
    Es erstaunt sie, wie schön seine Handschrift ist, eine anmutige Kalligraphie in schwarzer Tinte. Kein einziges Wort durchgestrichen, kein einziger Fehler, den sie auf den ersten Blick entdecken könnte. Offenbar hat er viel Zeit darauf verwendet, an sie zu schreiben, so als wäre es ein Liebesbrief, eine Vorstellung, die ihr Entsetzen noch steigert. Er denkt an sie. Das teilt er ihr allein schon durch seine kunstvolle Handschrift mit.
    Sie liest seine Worte:
    Wissen Sie über den Roten Stab Bescheid und auch, dass Sie dorthin müssen?
    Allerdings erst, nachdem Sie mich besucht haben. Im »Longhom State«, wie man ihn so hübsch nennt.
    Sehen Sie, ich weise Ihnen den Weg.
    Sie haben keinen eigenen Willen, auch wenn Sie das vielleicht glauben. Ich bin der Strom, der durch Ihren Körper fließt, und jeder Impuls kommt von mir. Ich bin in Ihnen. Spüren Sie es!
    Erinnern Sie sich an jene Nacht? Voller Vorfreude habenSie die Tür geöffnet und mich dann angegriffen, weil Sie sich Ihrer Sehnsucht nach mir nicht stellen konnten. Ich habe Ihnen verziehen, dass Sie mir die Augen genommen haben, denn meine Seele konnten Sie mir nicht nehmen. Sie folgt Ihnen auf Schritt und Tritt. Wenn Sie es versuchen, können Sie sie berühren.
    Maintenant! Maintenant! Es ist Zeit. Der Rote Stab erwartet Sie.
    Aber Sie müssen zuerst zu mir kommen, weil es sonst zu spät sein wird, meine Geschichten zu hören.
    Nur Ihnen werde ich sie erzählen.
    Ich weiß, was Sie sich wünschen, mon petit tresor agneau! Und ich habe das, was Sie wollen.
    In zwei Wochen werde ich tot sein und nichts mehr zu sagen haben. Ha!
    Werden Sie mich in die Ekstase entlassen?
    Oder werde ich Sie erlösen, indem ich die Zähne in Ihren weichen, runden, wunderschönen Körper schlage?
    Sollten Sie mich nicht finden, finde ich Sie.
    In Liebe und Verzückung
    Jean-Baptiste
    Scarpetta läuft in das altmodische Badezimmer mit der schlichten weißen Toilette, dem schlichten Duschvorhang aus Plastik rings um die schlichte weiße Wanne und den weißen Wänden mit den Schimmelflecken und übergibt sich. Nachdem sie ein Glas Leitungswasser getrunken hat, kehrt sie ins Schlafzimmer an den Tisch und zu dem verfluchten Stück Papier zurück, an dem, wie sie vermutet, keine Spuren haften. Er ist zu schlau, um Spuren zu hinterlassen.
    Sie sitzt auf ihrem Stuhl und versucht, das Bild der widerwärtigen Bestie zu vertreiben, die, einem knisternden bösen Geist aus der Hölle gleich, durch ihre Eingangstür hereingestürzt kam. An die Verfolgungsjagd, die schreckliche Hatz quer durch ihr Wohnzimmer,

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