Die Daemonenseherin
Jackie wusste nichts davon.
»Wo ist Devon?«
Das Lächeln auf ihrem Gesicht erstarrte.
Logan unterdrückte einen Fluch. Wenn er ihr nicht sofort eine Knarre an den Kopf halten wollte, musste er sich zusammenreißen. »Wir könnten vor seiner Tür warten, bis er fertig ist.«
»Lass uns lieber in unsere Wohnung gehen«, meinte sie. »Dann können wir uns in Ruhe unterhalten, und wenn Devon aus seiner Besprechung kommt, kannst du mit ihm reden. Möchtest du vielleicht mit uns zu Abend essen?«
»Danke«, wehrte er ab und schob sie auf die Treppe zu, wo sie vom Empfang aus nicht mehr gesehen werden konnten, »aber ich möchte lieber vor dem Besprechungsraum warten.«
»Das ist keine gute Idee. Jemand könnte uns hören.«
»Jackie, ich fürchte, du hast mich nicht verstanden. Das war keine Bitte.«
Sie starrte ihn aus zusammengekniffenen Augen an, als versuche sie herauszufinden, ob er scherzte, doch Logan war alles andere als zum Scherzen zumute.
»Was ist los?«, bohrte sie weiter. »Stimmt etwas nicht?«
Er war jetzt vollkommen ruhig, bereit zu tun, was getan werden musste. »Es ist alles in Ordnung, wenn du mich zum Ratssaal bringst.«
Jackie schüttelte langsam den Kopf. »Nein, das werde ich nicht tun. Mit dir stimmt doch etwas nicht und ich werde nicht …« Ihre Worte endeten in einem spitzen Schrei, als Logan sie packte und an sich zog. Ein schneller Griff, dann hatte er die SIG in der Hand und drückte Jackie den Lauf in die Seite, ohne die Sicherung zu lösen. Er hatte nicht vor, sie zu erschießen, und hoffte, dass es genügen würde, ihr einen gehörigen Schrecken einzujagen.
So viel zu meinem Plan, unauffällig zu bleiben.
»Logan!«
»Halt den Mund«, zischte er und verstärkte den Druck des Laufes. »Bring mich zu Devon!«
»Bitte nimm die Waffe weg.« Ihre Stimme bebte, doch äußerlich wirkte sie vollkommen ruhig. »Ich weiß, dass du mir nichts antun willst.«
»Du solltest besser tun, was ich sage«, erwiderte er so kalt, dass sie sich unter seinem Griff versteifte. Sichtlich hatte sie begriffen, dass er keine Witze machte. Da ihm eine völlig verängstigte Geisel jedoch nur im Weg sein würde, zwang er sich ruhig zu bleiben. »Ich mag dich, Jackie, und es macht mir keinen Spaß, dich zu bedrohen, aber mir bleibt keine andere Wahl. Und jetzt lass uns gehen.«
»Entschuldigen kannst du dich später – wenn du nicht länger mit deiner Knarre auf mich zielst«, knurrte sie. »Wir müssen die Treppen rauf, in den ersten Stock.«
Logan legte einen Arm um ihre Schultern, die Hand mit der Waffe hielt er im Schutz seiner Jacke weiter in ihre Seite gedrückt. Jemandem, der ihnen auf dem Gang begegnete, mochten sie wie zwei alte Freunde erscheinen, die sich freuten einander wiederzusehen – zumindest solange man ihnen nicht zu genau ins Gesicht sah. Jackies Miene war noch immer versteinert, zugleich strahlte sie eine Ruhe aus, die Logan nur bewundern konnte. Wenn sie sich vor ihm fürchtete, ließ sie es sich zumindest nicht anmerken.
Im ersten Stock angekommen folgten sie einem breiten, verlassenen Gang. Die Absätze von Jackies Pumps klapperten bei jedem Schritt vernehmlich, das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach. Sie führte ihn an einer Flut von Türen vorbei, neben denen Stühle oder Bänke für Wartende bereitstanden.
»Was ist das hier?«
»Unsere Verwaltung.«
»Warum ist niemand auf dem Gang?« Immer wieder schoss sein Blick voraus, glitt über Türen und Wände, auf der Suche nach einem Hinterhalt. Womöglich hatte die Frau am Empfang mitbekommen, wie er Jackie bedroht hatte, und Alarm geschlagen.
»Es ist Abend. Die meisten sind sicher längst zu Hause.«
Seit er an der Nationalgalerie angekommen war, hatte er nicht mehr auf die Zeit geachtet. Mittlerweile musste es nach fünf sein. Das erklärte zumindest die Ruhe und besänftigte sein Misstrauen ein wenig.
»Ist Devons Büro auch hier?«
Sie schüttelte den Kopf.
Ein paar Schritte legten sie schweigend zurück, ehe Jackie ihn ansah.
»Logan, was zum Teufel ist los?«, versuchte sie es noch einmal. »Hat das etwas damit zu tun, dass ich Alessa gesehen habe?«
Logan sagte nichts.
»Komm schon, rede mit mir!«
Er vertraute seiner Schwägerin, das wurde ihm mit jedem weiteren Schritt ein wenig mehr bewusst, doch mit ihr zu sprechen würde nichts ändern. Sie würde ihm nicht glauben und ihm dieselben Lügen erzählen, die schon Devon ihm aufgetischt hatte. Nur wusste sie eben nicht, dass es Lügen
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